Um ein Uhr in der Früh, es war also schon Dienstag, ist das österreichische Fußballteam ins Base-Camp nach Seefeld zurückgekehrt. Man ist gemütlich beisammengesessen, hat auf das 1:0 gegen die Ukraine und den Aufstieg ins Achtelfinale angestoßen und dezent gefeiert. Natürlich nicht ausschließlich mit Apfelsaft gespritzt. Der Tag nach dem historischen Ereignis von Bukarest wurde zum "Tag der Frische" erklärt. Jeder durfte mehr oder minder tun, was ihm taugt. Ausgedehnte Bergläufe hatte kein Spieler auf dem Wunschzettel.

Gerhard Zallinger kümmert sich selbstverständlich auch um die Fitness von Marko Arnautović.
Foto: APA/Jäger

Sportwissenschafter Gerhard Zallinger ist seit 2011 beim Team, der 51-Jährige begeht ein Jubiläum. Er ist der Konditionstrainer, für die Fitness zuständig. "Die Frische steht über allem", sagte er. "Müdigkeit lässt sich nicht wegtrainieren." Die Mannschaft und der Betreuerstab sind seit rund vier Wochen in der Corona-Blase nahezu isoliert, Lagerkoller gibt es trotzdem keinen.

"Das große Ganze ist entscheidend, die Erfolge machen das Zusammensein einfacher, kleine Konflikte werden rasch gelöst." Zallinger hat im Laufe seiner Berufskarriere festgestellt: "Der Körper folgt dem Geist." Noch eine Erkenntnis: "Fußball ist ein Individualsport und ein Mannschaftsspiel." Die aktuelle Kickergeneration habe gelernt, Eigenverantwortung zu übernehmen. "Jeder hat seine Rituale, man muss niemanden in das Fitnesszelt reinprügeln."

"Oft ist man nach 60 Minuten besser drauf"

Konditionelle Schwerpunkte sind abgesagt, die wären während eines Turniers fatal. "Im Training geht es nur mehr um mannschaftstaktische Belange." In Bukarest war es am Montagabend extrem schwül, einige Spieler litten sehr darunter (Arnautović), anderen wiederum war es wurscht. Zallinger: "Auch da gibt es Unterschiede. Oft ist man nach 60 Minuten besser drauf, weil sich der Körper an die Umstände gewöhnt hat."

Die Reisestrapazen spielten eine untergeordnete Rolle. "Das Quartier in Seefeld ist perfekt, man freut sich aufs Heimkommen." Achtelfinalgegner Italien trug die drei Vorrundenspiele in Rom aus, kennt Flugzeuge nur von unten. Zallinger will das nicht thematisieren. "Über die Fitness und Strapazen der Italiener mache ich mir keine Gedanken." Gegen die Ukraine war die physische Überlegenheit der Österreicher auffallend. "Wir dürften sehr viel richtig gemacht haben."

Zallinger hat Julian Baumgartlinger an der Leine.

Ein wesentlicher Mosaikstein des Erfolgs ist die Tatsache, "dass wir eine fast hundertprozentige Spielerverfügbarkeit in den Trainings haben." Auch aktuell ist das Lazarett überschaubar. Martin Hinteregger erlitt einen Bluterguss im Oberschenkelmuskel, Julian Baumgartlinger hat "normale Überlastungsprobleme".

Goldtorschütze Christoph Baumgartner leidet nach seinem Zusammenprall an leichtem Kopfweh, das Brummen wird aber minütlich leiser, Untersuchungen ergaben keine Auffälligkeiten. Von einem Einsatz gegen Italien ist felsenfest auszugehen. Valentino Lazaro hingegen wird ausfallen (Muskelverletzung im Oberschenkel), er zählt nicht zum Stamm.

Erfreuter Sportdirektor

ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel verspürte am Tag nach dem Coup "große Freude. Es war richtig stark in allen Belangen. Wir brachten Köpfe und Beine genau auf den Punkt. Die Ukraine hat sich nicht ausgekannt." Der Erfolg könne eine Initialzündung für den gesamten Fußball gewesen sein. "Auch im Amateurbereich."

Schöttel sehnt bereits den Samstag im Wembley herbei. "Italiens Statistik ist beeindruckend, die haben 30 Mal nicht verloren, in den letzten elf Spielen kein Gegentor bekommen. Sie decken die gesamte Bandbreite des Fußballs ab. Natürlich sind wir Außenseiter. Aber Foda wird einen Plan entwickeln."

Am Dienstagabend wurde das Match gegen die Ukraine nachbesprochen und abgehakt. Die konkrete Vorbereitung auf Italien startet am Mittwoch.

ÖFB-Boss Leo Windtner ist derweil aus dem Häuschen: "Ein historischer Meilenstein, wir haben ein neues Kapitel aufgeschlagen. Wir werden versuchen, das Unmögliche zu schaffen." (Christian Hackl, 22.6.2021)