Die ÖVP kann sich vorstellen, dass U-Ausschüsse künftig live im Fernsehen anzuschauen sind – stellt aber Bedingungen dafür.

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Werden parlamentarische Untersuchungsausschüsse künftig live im Fernsehen übertragen, so wie die Debatten im Hohen Haus? So, wie das die Opposition schon lange fordert? Bisher hat die ÖVP bei diesem Thema, das durch den derzeit noch laufenden Ibiza-U-Ausschuss und die politischen Auseinandersetzungen darüber wieder akut wurde, abgewunken – nun scheinen die Türkisen umzuschwenken.

Die ÖVP könne sich Liveübertragungen künftig vorstellen, "um wieder Kultur in U-Ausschüsse zu bringen", eröffnete der ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Andreas Hanger, einer Handvoll Journalisten am Dienstagabend bei einem Hintergrundgespräch. Aber nicht ohne Bedingungen, die in einem "Gesamtpaket" verschnürt werden sollen, denn der U-Ausschuss in seiner jetzigen Form habe ein "strukturelles Problem".

Wahrheitspflicht für Fragesteller

Die Bedingungen schauen so aus: Die fragestellenden Mandatare müssten unter Wahrheitspflicht gestellt, das Informationsordnungsgesetz "nachgeschärft" werden. Zudem sei es nicht praktikabel, wenn ein U-Ausschuss (wie der jetzige) parallel zu Ermittlungsverfahren gegen Auskunftspersonen laufe, da die Auskunftspersonen dann häufig von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machen. Zudem will die ÖVP die Rolle des Verfahrensrichters aufwerten, und die Persönlichkeitsrechte gehören wesentlich besser geschützt als derzeit, erklärte Hanger.

Details zu diesen Überlegungen konnte er noch nicht bieten, all das gehöre nach einer Cooling-off-Zeit ausverhandelt. Wie man die Fragen der Mandatare auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen oder wie man Übertretungen allenfalls sanktionieren könnte, das wisse er noch nicht, sagte der Mandatar, sicher sei nur, dass in diesem Punkt jetzt ein Ungleichgewicht zwischen Fragesteller und Auskunftspflicht bestehe. Die ÖVP geht da jetzt also in die Gegenrichtung: Bis vor kurzem war ja laut überlegt worden, die Wahrheitspflicht für die Befragten abzuschaffen.

Sanktionen bei Aktenweitergabe

Anlass für die geforderte Nachschärfung beim Informationsordnungsgesetz sind Chat-Unterlagen, die die Neos an Medien weitergegeben haben, wie sie selbst einräumten, und die unter Geheimhaltungsstufe 2 (von insgesamt vier Stufen) standen. Dass es bei Verstößen gegen die ersten beiden Stufen gar keine Sanktionen gebe, ab Stufe 3 dann aber gleich strafrechtliche Folgen drohen, das sei nicht plausibel, "das Informationsordnungsgesetz ist lächerlich", meinte dazu ein auf Strafrecht spezialisierter Rechtsanwalt, der die ÖVP neuerdings für den U-Ausschuss berät und bei dem Hintergrundgespräch dabei war.

Vorausgesetzt, man finde dazu Konsens in den anstehenden Verhandlungen mit den anderen Parteien, vorausgesetzt, man kann damit "die jetzigen Inszenierungen verhindern", sei man also für Liveübertragungen, zog Hanger Resümee. Er verstehe den Wunsch der Öffentlichkeit auf Information, allerdings müsse auf der anderen Seite der Schutz der Persönlichkeitsrechte gewahrt werden. Auf den Einwand, dass die Rahmenbedingungen für U-Ausschüsse, die nun auch Minderheitenrecht sind, ja erst kürzlich reformiert wurden, meinte Hanger nur, das habe eben nur "sehr eingeschränkt" gegen Inszenierungen geholfen.

Vorwurf gegen Justizministerin

Bei seinen Attacken gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und die Justiz gab sich Hanger am Vorabend zur nächsten Ausschusssitzung etwas gemäßigter als sonst. Er selbst habe ja die WKStA nicht pauschal kritisiert. Als er einzelne Ermittler kritisierte, habe er auch dafür Kritik geerntet, meinte er. Und wiederholte, dass die ÖVP das ihr Angeratene getan habe und rechtliche Schritte in Form einer Strafanzeige wegen des Verdachts auf Bruch des Amtsgeheimnisses eingebracht habe.

In dem Fall geht es um an den U-Ausschuss gelieferte Chats von Thomas Schmid mit ihm Nahestehenden, die ÖVP vermisst eine abstrakte Relevanz darin (die für die Vorlage Voraussetzung ist) und wirft der WKStA und der Oberstaatsanwaltschaft Wien (sie ist für die Aktenlieferung zuständig) Bruch der Amtsgeheimnisses und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten vor. Letzten Endes – und damit lange Hanger in der nächsten Woche an – sei Justizministerin Alma Zadić letztverantwortlich dafür. Ob er also ihr den strafrechtlich relevanten Vorwurf macht? (Es gilt die Unschuldsvermutung.) "Das wird bei der Befragung der Ministerin im U-Ausschuss nächste Woche Thema sein", meinte er. (Renate Graber, 23.6.2021)