Das Gesetz verstoße gegen fundamentale Werte der Europäischen Union, Menschenwürde, Gleichheit und den Respekt für Menschenrechte, sagt Ursula von der Leyen.

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Brüssel – Die EU-Kommission wird gegen das jüngst in Ungarn beschlossene Anti-LGBTQI-Gesetz mit aller Härte vorgehen, um es vom Ansatz her gleich wieder zu verhindern, bevor es in Kraft tritt. Nach Informationen des STANDARD hat Präsidentin Ursula von der Leyen den Kommissaren den Auftrag gegeben, formelle Schritte gegen die ungarische Regierung einzuleiten. Dies hat sie bei einer Pressekonferenz mit dem belgischen Premierminister Alexander de Croo angekündigt. Indes wurde bekannt, dass sich Österreich der Forderung der 14 EU-Staaten nach reichlich Kritik nun doch anschließen wird.

Verstoß gegen "fundamentale Werte"

Von der Leyen verurteilt das Vorgehen in Ungarn in einer kaum gehörten Schärfe: "Dieses ungarische Gesetz ist eine Schande", sagte sie bei der Pressekonferenz. Bevor das Gesetz nun in Kraft tritt, wurde ein Schreiben an die ungarischen Behörden übermittelt, in dem die EU-Kommission ihre rechtlichen Bedenken zum Ausdruck brachte. Das Gesetz, so von der Leyen, diskriminiere Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. "Es verstößt gegen fundamentale Werte der Europäischen Union, Menschenwürde, Gleichheit und den Respekt für Menschenrechte", sagt die Präsidentin. Und: "Bei diesen Prinzipien gehen wir keine Kompromisse ein." Sie glaube an eine Europäische Union, in der man frei sei, den zu lieben, den man lieben möchte. "Ich werde alles, was in meiner Macht steht, tun, um sicherzustellen, dass diese Rechte der Bürgerinnen und Bürger der EU geschützt sind."

Österreich nun doch dabei

Bereits am Dienstag hatten sich 14 EU-Staaten an die Europäische Kommission gewandt und diese aufgefordert, umgehend gegen das umstrittene ungarische Gesetz vorzugehen. Österreich war zunächst nicht darunter, worauf es reichlich Kritik hagelte. Mittlerweile hat Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nun doch eingelenkt und "nach sorgfältiger Abwägung entschieden, die Erklärung ebenso zu unterstützen". Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit seien nicht verhandelbar, schrieb sie am Mittwoch auf Twitter.

SPÖ und Neos hatten zuvor scharf kritisiert, dass Österreich eine gemeinsame Verurteilung des homosexuellenfeindlichen Zensurgesetzes in Ungarn durch 14 EU-Staaten nicht unterzeichnet hat. "Österreichs Wegschauen bei Ungarn ist beschämend", sagte der SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner. Auch die Neos-Europaabgeordnete Claudia Gamon und der LGBTQI-Sprecher Yannick Shetty forderten die Bundesregierung auf, die Deklaration zu unterzeichnen. "Es ist eine Schande, dass die Bundesregierung nicht bereits gestern die Deklaration unterstützt hat. Es kann nicht sein, dass unklar ist, auf welcher Seite Österreich steht, wenn in Ungarn die Rechte von LGBTQI-Personen mit Füßen getreten werden", kritisierten sie.

Notfalls vor den Europäischen Gerichtshof

Die Forderung der Staaten: Die Behörde müsse "alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente" gegen das "diskriminierende" Gesetz nutzen, hieß es in der veröffentlichten Erklärung der Länder, die von Belgien, Luxemburg und den Niederlanden initiiert wurde. Notfalls soll die Kommission demnach auch vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

Neben Deutschland und den Beneluxstaaten stellten sich auch folgende neun Länder hinter die kritische Erklärung: Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Lettland, Litauen, Spanien und Schweden. Am Dienstagabend kam Italien noch dazu. Damit stellte sich rund die Hälfte der insgesamt 27 EU-Staaten hinter die Kritik an Ungarn. (Thomas Mayer, Elisa Tomaselli, 23.6.2021)