Bundespräsident Van der Bellen lässt das Straflandesgericht entscheiden, ob Blümel alle Akten geliefert hat.

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Es ist schon wieder etwas passiert rund um den Ibiza-Untersuchungsausschuss. Der seit Monaten schwelende Konflikt rund um Aktenlieferungen aus dem Finanzministerium hat am Mittwochabend einen neuen Höhepunkt erreicht: Da kündigte Bundespräsident Alexander Van der Bellen an, das Straflandesgericht Wien mit der Exekution eines höchstrichterlichen Erkenntnisses gegen das Finanzministerium beauftragen zu wollen.

Die Vorgeschichte: Immer wieder hatte die Opposition im U-Ausschuss Akten aus dem Finanzministerium verlangt – und immer wieder das Gefühl gehabt, nicht vollständig beliefert worden zu sein. Deshalb wandten sich SPÖ, FPÖ und Neos im Februar 2020 an den Verfassungsgerichtshof. Der entschied im März, dass das Finanzministerium mehr liefern müsse. In der Zwischenzeit war Minister Gernot Blümel selbst zum Beschuldigten in der Causa Casinos geworden, inklusive Hausdurchsuchung in seiner Privatwohnung – es gilt die Unschuldsvermutung.

Nach Urteil "verhandeln"

Statt sofort alle Akten zu liefern, beauftragte das Ministerium den Präsidenten der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, mit dem U-Ausschuss zu verhandeln. Es ging um die Frage, wie man sensible Daten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schützen könne – so stellt es zumindest das Ministerium dar. Der Verfassungsgerichtshof hatte entschieden, dass ganze E-Mail-Postfächer an den U-Ausschuss gehen müssten – im Ministerium befürchtete man, darin könnten auch Mails zu Krankenständen und andere intime Informationen enthalten sein.

Allerdings war der VfGH der Ansicht, dass "Verhandlungen" keine Umsetzung seines Erkenntnisses darstellten. Deshalb, und schon das ist ein Novum, beauftragte er den Bundespräsidenten, seine Entscheidung zu exekutieren – also dafür zu sorgen, dass das Finanzministerium alle Akten liefert. Dort lenkte man dann von selbst ein und brachte flugs Kartons voll ausgedruckter E-Mails zum U-Ausschuss. Die sollen schon seit Wochen im Keller gestanden haben, sagte eine Beamtin des Ministeriums später aus. Und: Das Kabinett Blümel soll sich direkt in die Frage der Aktenlieferung involviert haben.

Indizien der Opposition

Die Opposition bekrittelte nun, dass man nicht hunderttausende ausgedruckte E-Mails lesen könne, die noch dazu als geheim klassifiziert waren. Wieder kam es zu Konsultationen, schlussendlich erfolgte eine Herabstufung samt digitaler Übermittlung. Nach Durchsicht der Unterlagen hegte die Opposition nun erneut den Verdacht, unvollständig beliefert worden zu sein. Dafür führte sie in einem Brief an Van der Bellen einige Indizien an: E-Mails waren beispielsweise thematisch sortiert, nicht chronologisch. Oder: In den E-Mail-Postfächern mancher ranghoher Mitarbeiter fanden sich untypisch wenige Nachrichten.

Bundespräsident Van der Bellen wollte den Ball nun an den VfGH zurückspielen und bat ihn vergangene Woche um Prüfung. Doch dieser sagte am Mittwoch ab: Er habe seine Entscheidung schon lange getroffen; es läge an Van der Bellen, für deren Umsetzung zu sorgen.

"Die einen sagen so"

Van der Bellen entschied nun, das Straflandesgericht Wien mit der Exekution des Urteils zu beauftragen. "Die einen sagen so, die anderen sagen so", meinte der Bundespräsident mit Blick auf die Vorwürfe der Opposition sowie Blümels Versicherung, alles geliefert zu haben. Beides sei möglich, gab er zu bedenken. In den Tagen zuvor hatte Blümel eine Medienoffensive gestartet, beispielsweise mit einem Interview in der ZiB 2. Deren Redaktion sei von der Opposition mit Unwahrheiten gefüttert worden, warf Blümel der Nachrichtensendung dann auf Facebook vor. Die Nervosität rund um die Exekution war jedenfalls groß, die politische Signalwirkung ist verheerend. Am Donnerstag ist Blümel im U-Ausschuss geladen.

Dort ging es am Mittwoch weitaus weniger spannend zu. Geladen war der einstige Justizminister Josef Moser. Er erklärte, dass er die WKStA entgegen anders zu interpretierender E-Mails nie von den Ibiza-Ermittlungen habe fernhalten wollen. Auch Pläne zur Zerschlagung der WKStA bestritt er vehement. Danach trat Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger an, die vor der türkis-blauen Regierungsbildung Generalsekretärin der ÖVP war. Sie sollte zu Spendensammlungen und Wahlkampffinanzierung aussagen, blieb jedoch sehr vage. Am Donnerstag soll nach Blümel Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka aussagen, dann eigentlich Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid. Der hat aber weder zu- noch abgesagt. (Fabian Schmid, 23.6.2021)