Für das Welser Stadtoberhaupt ist vonseiten der FPÖ in Bezug auf die als rechtsextrem eingestufte Identitäre Bewegung bereits "alles gesagt".

Werner Dedl

Die Politik ist für den passionierten Geiger gleich einer musikalischen Leidenschaft; Politik müsse man lernen wie ein Instrument. Es gelte, alle Variationen zu beherrschen – und selbst die Bierzeltklaviatur entsprechend zu bespielen.

STANDARD: In der FPÖ Oberösterreich scheint man flexibel wie ein Gummiringerl zu sein. Anfang Juni bekundete die blaue Spitze fast geschlossen "keinen Vertrauensvorschuss" für Herbert Kickl, jetzt steht man hinter dem neuen Parteiobmann. Musste man die Krot einfach schlucken?

Rabl: In Oberösterreich hat es zur Frage des Parteiobmanns eine klare Haltung gegeben. Und zwar, dass man mit Norbert Hofer einen gewählten Obmann hat und diesem gegenüber auch loyal ist. Mit dem Rücktritt Hofers hat sich die Position natürlich verändert. Und eine langwierige Obmanndebatte bringt einer Partei nie etwas.

STANDARD: Zu erwarten ist, dass unter Kickl die FPÖ noch weiter deutlich nach rechts rücken wird. Ein Weg, den Sie mitgehen?

Rabl: Das Gegenteil ist der Fall. Die FPÖ wird unter Kickl nicht weiter nach rechts, sondern weiter nach links rücken. Ich finde es ja interessant, dass die politische Einordnung immer nur am Ausländerthema gemessen wird. Herbert Kickl ist bekannt dafür, dass er für die Arbeiterschaft sehr viel übrig hat. Er hat den Begriff der sozialen Heimatpartei geprägt und hat damit einen sehr viel sozialeren Kurs vorgegeben. Und dazu kommen klare Position gegen den Neoliberalismus, und er war immer für den kleinen Mann. Ich erwarte keinen Rechts-, sondern einen Linksruck in der FPÖ.

STANDARD: Von Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP) kam umgehend eine Absage an einen "Kickl-Stil in unserem Land". Wird es jetzt nicht extrem schwierig – in Oberösterreich muss man sich mit der ÖVP gut stellen, in Wien werden die blauen Töne gegen Türkis wohl rauer werden?

Rabl: Nein, glaube ich nicht. Unterschiedliche Konstellationen bedürfen unterschiedlicher Verhaltensweisen. Und diese regionalen Unterschiede sind halt in Oberösterreich besonders ausgeprägt, weil wir eben Teil einer Koalition mit der ÖVP sind. Da muss man sich eben anders verhalten als in der Opposition.

STANDARD: Ihren Optimismus in Ehren, aber Oberösterreich ist die letzte blaue Machtbastion, nur Niederösterreich verfügt noch über ein amtsführendes Landesregierungsmitglied. Wobei Gottfried Waldhäusl wegen Amtsmissbrauchs unter Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft steht. Die Unruhen in den eigenen Reihen kommen doch, mit Blick auf die Landtagswahl im September, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, oder?

Rabl: Auch da muss ich Ihnen widersprechen. Eine Partei braucht eine klare inhaltliche Ausrichtung. Und Herbert Kickl ist bekannt dafür, dass er diese notwendigen Linien auch zieht. Das kann dazu führen, dass man einige Wähler verliert, aber auch neue Wähler gewinnt. Und so viel hat sich in der FPÖ nicht geändert. Herbert Kickl hat im letzten halben Jahr schon die Linie der FPÖ vorgegeben.

Standard: Dennoch: Haider, Strache, die jüngste Obmanndebatte – wie erklären Sie sich den ausgeprägten Hang zur Selbstzerstörung in der FPÖ?

Rabl: Jörg Haider war 15 Jahre FPÖ-Obmann, Strache auch fast 15 Jahre. Hofer hat selbst gesagt, dass er dieses Amt nicht länger ausüben will. Jetzt haben wir Herbert Kickl. Hier von einem Selbstzerstörungstrieb zu sprechen, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Schauen Sie bitte, wie oft die Obleute bei der ÖVP gewechselt haben. Und Herbert Kickl hat viele Eigenschaften, die man für dieses Amt braucht.

STANDARD: Welche konkret?

Rabl: Er ist der Cicero der österreichischen Innenpolitik. Ein brillanter Redner, ein großer Stratege und einer, der sich immer gegen die Mächtigen eingesetzt hat.

STANDARD: In seiner politischen Praxis zeigte Cicero eine Flexibilität, die in den Vorwurf des Opportunismus und der Prinzipienlosigkeit mündete. Parteichef Kickl hält trotz Distanz per Parteistatut die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte "Identitäre Bewegung" für ein "interessantes und unterstützenswertes Projekt". Sie sei "so etwas wie eine NGO von rechts". Unterschreiben Sie das?

Rabl: Die FPÖ hat bereits 2018 beschlossen, dass Mitglieder der Identitären keine Funktion innerhalb der FPÖ einnehmen dürfen. Das ist mir wichtig. Damit ist die Linie klar gezogen.

STANDARD: Womit Sie elegant meiner Frage ausgewichen sind: Teilen Sie die Einschätzungen Ihres Parteichefs?

Rabl: Was ist eine NGO? Eine Nichtregierungsorganisation. Und Kickl hat damit natürlich recht, wenn er sagt, es ist eine NGO von rechts. Weil ja die Identitären bekanntlich keine Regierungsorganisation sind. Aber die Abgrenzung ist klar.

STANDARD: Ist es ein "interessantes und unterstützenswertes Projekt"?

Rabl: Wir haben zu den Identitären als FPÖ ausreichend unsere Meinung gesagt. Für mich sind die Identitären eine Organisation, die ich nicht unterstütze. Mir ist es wichtig, dass wir als Partei für solche Leute keinen Platz haben.

STANDARD: Kickl war und ist gern gesehener Gast unter Corona-Gegnern. Waren Sie schon zu entsprechenden Veranstaltungen geladen?

Rabl: Die Demos waren eine Zeitgeist-Erscheinung. Die einzige Möglichkeit für die Bevölkerung, ihr Unbehagen mit den Regierungsmaßnahmen zum Ausdruck zu bringen. Ich persönlich bin nicht der Typ, der bei Demos mitgeht. Überzeugungsarbeit aber gerne im Wirtshaus oder am Verhandlungstisch. (Markus Rohrhofer, 24.6.2021)