Es hätte viele Fragen an Arbeitsminister Martin Kocher gegeben, der als Diskutant für die politische Debatte vorgesehen war. Doch Kocher musste im letzten Moment absagen, weil er selbst noch Fragen im Plenum des Nationalrats beantworten musste. Für ihn sprang Meinungsforscherin Sophie Karmasin ein, einst Familienministerin für die ÖVP und Obfrau des Vereins "Unternehmen Zukunft". Um in der Debatte zusammen mit Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB für Grundsatz, auf der Bühne zu stehen.

Ingrid Reischl (ÖGB) und Sophie Karmasin (Unternehmen Zukunft) diskutierten die politischen Aspekte des Trends zum Homeoffice.
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Reischl machte von Anfang an klar, dass sie die neuen gesetzlichen Regelungen im Homeoffice-Paket, bei denen sie intensiv mitverhandelt hat, nicht zufriedenstellen: "Wir haben jetzt eine Regelung für das Homeoffice durchgebracht. Diese Regelungen gibt es aber leider nicht für das mobile Arbeiten. Gleichzeitig ist es ein Riesenproblem, Homeoffice in einem anderen EU-Land zu machen. Ich wünsche mir als Gewerkschafterin, dass wir rasch vom Homeoffice wegkommen, um über das Thema mobiles Arbeiten zu reden."

Als weiteres Problem sehe sie die Kostenverschiebung zuungunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: "Es gibt Beratungsfirmen, die sagen, bei mittleren und großen Unternehmen rechnet man mit einer Einsparung von 20 Prozent bei Räumen und zwölf Prozent bei den Nebenkosten. Und diese Kosten tragen nun Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer", fügte sie an.

"Es ist ein Riesenproblem, Homeoffice in einem anderen EU-Land zu machen"

– Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB

Karmasin stimmte Reischl in Sachen mobiles Arbeiten zu und ergänzte: "Ich frage mich, warum man das nicht gleich mitverhandelt hat."

Zu der Verschiebung der Kosten sagte sie: "Wir sollten erst einmal abwarten und dann eventuell in einem Jahr schauen, wie viel die Unternehmen wirklich einsparen – in dieser Übergangszeit sind die Räumlichkeiten ja immer noch im Besitz vieler Firmen. Auf der anderen Seite sparen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ja ebenfalls kosten, Mobilitätskosten zum Beispiel. Da müssen wir auch über die Pendlerpauschale reden."

In der Kostenfrage gebe es auch immer eine dritte Partei, nämlich den Staat, warf der Moderator, STANDARD-Redakteur Eric Frey, ein. "Wäre eine Regelung wie in Deutschland, ein gewisser Steuerfreibetrag pro Homeoffice-Tag, auch in Österreich denkbar?"

Es gebe natürlich steuerliche Regelungen in Österreich. "Das Finanzministerium hat uns vorgehalten, dass unsere Regelungen günstiger sind als die deutschen", sagte Reischl. "Wir haben nicht auf Freibeträge gesetzt, denn davon profitieren meist nur die Besserverdienenden. Unsere Regeln sind in Ordnung, aber wie gesagt, wir müssen in dem Zusammenhang über mobiles Arbeiten reden."

Spricht man über Homeoffice, geht es auch immer wieder um das Thema Vertrauen. Wie hat sich das in Österreich eingependelt?

"Wenn wir über Kostenverteilung reden, müssen wir auch über die Pendlerpauschale reden"

– Sophie Karmasin, Verein Unternehmen Zukunft

"Das war ja ein großer Vorbehalt", sagte Karmasin. "Und ich glaube, die Unternehmen wurden eines Besseren belehrt, dass die Produktivität in Teilen sogar gestiegen ist."

Reischl forderte im Gegenzug ein "Recht auf Nichterreichbarkeit" für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Homeoffice. Sie selbst habe in den ersten drei Wochen der Pandemie so viel gearbeitet wie noch nie, deswegen sei es wichtig, zwischen Arbeit und Freizeit eine Grenze ziehen zu können.

Karmasin meinte dazu, man müsse nicht für alles eine gesetzliche Regelung finden, so manche Sache müsse man in den Unternehmen regeln. "Ins Gesetz geschrieben heißt nicht, dass es eingehalten wird."

Zum Schluss war noch künstliche Intelligenz (KI) ein Thema. Reischl: "Es kann sein, dass einige Jobs, die heute im Homeoffice ausgeführt werden, schon bald von einer KI übernommen werden."

Karmasin antwortete: "Das stimmt, dafür werden die Berufe, die nicht durch künstliche Intelligenz ersetzt werden können, umso wichtiger. Pflegerinnen und Pfleger zum Beispiel." (Thorben Pollerhof, 27.06.2021)