Von einer Absage darf man sich keinesfalls verunsichern lassen, sagt Gehaltsexpertin Martina Ernst.
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Wer voller Entschlossenheit in die Gehaltsverhandlung geht und dann enttäuscht wird, kann schon einmal den Mut verlieren. Von einer Absage darf man sich aber keinesfalls verunsichern lassen. Nach einer kurzen Verschnaufpause sollte man genauso handeln, wie es alle Sportler machen: Das Match analysieren, die Taktik überdenken, üben und einen neuen Versuch starten.

1. Match analysieren

Zunächst sollte man sich folgende Fragen stellen: Kenne ich die Prozesse meiner Firma? Zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen werden üblicherweise Gehälter überprüft und gegebenenfalls angepasst? Und weiß ich auch, mit wem ich darüber reden muss? Viele Unternehmen haben nur eine Gehaltsrunde pro Jahr und definieren genau, unter welchen Bedingungen die Vergütung über die übliche kollektivvertragliche Anpassung hinaus erhöht werden kann.

Normalerweise steigt das Gehalt mit der Übernahme von mehr Verantwortung oder der Beförderung auf eine höhere Position. Meist entscheidet die Führungskraft, welche Teammitglieder für eine Gehaltserhöhung oder für eine Beförderung infrage kommen. In manchen Firmen findet diese Entscheidung auch gemeinsam mit der Geschäftsführung, der Personalabteilung oder in einem Gehaltsgremium statt. Mit dieser Information im Gepäck können das Timing und die Voraussetzungen für die nächste Verhandlung viel besser eingeplant werden. Außerdem: Persönliche Gründe wie etwa gestiegene Lebenshaltungskosten gehören nicht in die Verhandlung. Weitere No-Gos: die Gehaltserhöhung damit zu begründen, dass man schon lange im Unternehmen ist oder viele Überstunden macht.

2. Taktik überdenken

Wichtig ist, sich darüber im Klaren zu sein, dass im Gehaltsgespräch Fakten gefragt sind. Das heißt: Beschäftigte sollten belegen können, inwieweit sie beispielsweise in den letzten Monaten mehr Verantwortung übernommen haben. Nach dem Sammeln von Argumenten empfiehlt es sich, einen Termin mit der Führungskraft auszumachen, um über die eigene berufliche Entwicklung im Unternehmen zu sprechen. Dabei sollte man die eigenen Überlegungen einem Reality-Check unterziehen: Sind meine Ziele auch wirklich die Ziele des Unternehmens? Wird mein Mehrwert gesehen? Am einfachsten findet man das durch offene Fragen heraus: Welche Ziele soll ich mir setzen, mit welcher Deadline – und woran würde man erkennen, dass ich die Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern übertroffen habe? Wie wird sich die erhöhte Verantwortung auf meine Gesamtvergütung auswirken?

Der Termin ist auch ein guter Rahmen, um Alternativen zu überlegen, sollte eine weitere Beförderung technisch nicht mehr möglich sein – manche Hierarchien sind sehr flach. Wie kann das Gehalt trotzdem steigen – zumindest innerhalb der Bandbreite für den jetzigen Job? Gibt es vielleicht spannende neue Projekte, die man übernehmen könnte? Welcher Zeitrahmen ist realistisch für weitere Anpassungen? Das Gespräch sollte man unbedingt schriftlich festhalten und sich bestätigen lassen.

3. Üben

Was kann ich heute tun, um sicher zu sein, dass ich richtig unterwegs bin? Um eine passende Antwort auf diese Frage zu finden, lohnt es sich, während der Zeit bis zum nächsten Gehaltsgespräch regelmäßige Zwischenchecks mit der Führungskraft zu vereinbaren. Gemeinsam kann evaluiert werden, ob die Dinge nach Plan laufen und auch, ob die besprochenen Ziele nach wie vor aktuell sind oder angepasst werden müssen.

Die Zeit bis zum nächsten Gehaltsgespräch sollte man außerdem nützen, um sich des eigenen Marktwerts besser bewusst zu werden. Recherchen im Internet und Gespräche mit Kollegen und Freunden innerhalb und außerhalb der Firma helfen, um eine realistische Vorstellung einer angemessenen Vergütung zu bekommen.

4. Neuen Versuch starten

Ist der Zeitpunkt für die nächste Gehaltsverhandlung endlich gekommen, ist man nach den vorherigen Schritten bereits bestens vorbereitet. Und man sollte zwei Dinge nicht vergessen: Einerseits wird man mit jeder Runde routinierter in diesen heiklen Gesprächen. Andererseits sind die Vorgesetzten nicht die Gegner, sondern wollen mehr oder minder das Gleiche wie wir: topmotivierte Mitarbeitende, die zum Unternehmenserfolg beitragen. Und dass diese Leute am Markt ihren Preis haben, sollte wohl selbstverständlich sein. (Martina Ernst, 29.6.2021)