Man wird wohl erst in ein paar Jahren oder Jahrzehnten die Frage endgültig beantworten können, auf welchen Teil der Gesellschaft diese Pandemie den größten Einfluss hatte. Ein Kandidat, der aber ganz sicher weit oben auf der Liste stehen dürfte, ist die Arbeitswelt. Diejenigen, die es konnten, blieben daheim und eröffneten damit die Debatte, wie wir in Zukunft arbeiten werden: zu Hause oder im Büro?

Diesem Thema hat sich auch das 69. STANDARD-Wohnsymposium in Zusammenarbeit mit dem Fachmagazin Wohnen Plus gewidmet. Denn Arbeit und Wohnen im selben Haus ist ein altes Konzept, das durch Covid-19 wieder an Bedeutung gewonnen hat.

Doch es wirft auch viele Fragen auf: Bietet der Hausbestand die notwendigen Raumressourcen? Kann der Wohnungsbau weiter auf kleine Einheiten setzen? Wird unser Wohnen nachhaltig verändert?

Bessere Vereinbarkeit

Grafik: Oliver Schopf

Das mittlerweile vierte Symposium, das während der Pandemie stattfand, hatte einige Antworten darauf zu bieten. Andreas Holler, Geschäftsführer der Buwog Group, in deren neuem Bürogebäude an der Wiener Rathausstraße die Veranstaltung stattfand, beschrieb das Dilemma vieler Arbeitgeber: schöne Büroräume, die nur zu einem Drittel belegt sind. "Das soll sich in Zukunft wieder ändern", sagte er.

Aber so wie vorher werde es nicht werden, zeigte die Motivforscherin Sophie Karmasin anhand einer Studie auf – das Homeoffice sei gekommen, um zu bleiben. Für viele sei das Konzept ein Schlüssel für die bessere Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Freizeit. Gleichzeitig verwies sie auf die negativen Seiten: Häufig seien es Frauen, die Nachteile beim Arbeiten daheim erleiden, etwa durch Doppelbelastung und Karrierebremsen. "Das Homeoffice ist nicht schwarz-weiß, es gibt gleichermaßen Chancen und Risiken zu beachten", sagte sie. Wenn es an Platz und technischer Ausrüstung fehlt, dann zahlen oft die Frauen drauf, betonte auch die Familiensoziologin Ulrike Zartler.

Damit Homeoffice funktioniert, muss der Wohnbau seinen Beitrag leisten. Doch wie kann man im Bestand wie im Neubau darauf reagieren? Architekt Andreas Gerner stellte verschiedene Strategien vor, um aus wenig Platz eine große Vielfalt zu machen. Zudem gab es mehrere Schlagworte, die im Laufe des Symposiums immer wieder fielen. Darunter: Gemeinschaftsräume und Grünflächen.

Auf diese war besonders Isabella Stickler, geschäftsführender Vorstand der Alpenland St. Pölten, bei ihrem Projekt Mühlbach Ost stolz. Denn die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass nicht nur der Wohnraum an sich wichtiger wird – sondern auch die Nachfrage nach Platz im Freien.

Darüber hinaus kristallisierte sich heraus, dass es in der Frage der Begrifflichkeiten ebenfalls noch einiges zu klären gibt. Denn während sich viele Diskussionen und Gesetzeslagen um das Thema Homeoffice drehen, klagen viele Expertinnen und Experten darüber, dass das größere Thema mobiles Arbeiten von der Regierung vernachlässigt worden sei – sprich, das Arbeiten nicht an einem festen Platz, wo auch immer dieser sein mag, sondern die Möglichkeit, auch im Zug oder auf einer Parkbank seine Arbeit erledigen zu können. Dafür benötige man nicht nur gute Internetverbindungen, sondern auch rechtliche Grundlagen, die derzeit fehlten, sagte Ingrid Reischl, leitende Sekretärin des ÖGB.

Kreative Lösungen

Das Thema der Remote Work werde uns noch lange und intensiv beschäftigen, waren sich alle Expertinnen und Experten einig. Gesetzgeber, Arbeitgeber und die Wohnungswirtschaft müssten Klarheit auch über Begrifflichkeiten schaffen und kreative Lösungen ermöglichen, sagte Motivforscherin Karmasin und brachte sogleich ein Beispiel: "Wie wäre es denn mit einem Coworking-Angebot samt angeschlossener Kinderbetreuung?"

Vielleicht in ein paar Jahren. (Thorben Pollerhof, 24.06.2021)