Zu den bekannten Exoplaneten in habitablen Zonen gehört einer im Ross 128-System (hier künstlerisch dargestellt mit seinem roten Zwergstern). Das System befindet sich in rund elf Lichtjahren Entfernung.
Bild: ESO/M. Kornmesser

Die Leidenschaft der österreichischen Astrophysikerin Lisa Kaltenegger sind lebensfreundliche Planeten fern der Erde. Auf ihnen herrschen gewisse Bedingungen vor, die Leben – so ähnlich, wie wir es kennen oder uns vorstellen können – möglich machen könnten. Ob sie tatsächlich bewohnt sind, können wir in den meisten Fällen aber nicht überprüfen: Zu weit entfernt liegen die Exoplaneten, die um andere Sterne als unsere Sonne kreisen.

Nun legt Kaltenegger, die als Direktorin des Carl Sagan Institute an der Cornell University in den USA arbeitet, gemeinsam mit ihrer Kollegin Jackie Faherty vom American Museum of Natural History in New York eine neue Analyse im Fachblatt "Nature" vor. Darin wagen sie einen hypothetischen Blick aus der Sicht von Aliens zurück auf die Erde. Ihre Vermutung: Seit die Menschheit durch das Versenden von Radiowellen auf sich aufmerksam macht, könnte man uns von geschätzt 29 potenziell bewohnbaren Planeten aus hören oder die Erde bei ihrem Vorbeiflug an der Sonne sehen.

Transit im richtigen Winkel

"Wir wollten wissen, welche Sterne den richtigen Blickwinkel auf die Erde haben, um diese dann zu sehen, wenn sie das Licht der Sonne abblockt", sagt Kaltenegger. "Weil sich Sterne aber in unserem dynamischen Kosmos bewegen, kann dieser Blickwinkel kommen und gehen." Zieht nämlich ein Planet auf seiner Bahn an seinem Zentralgestirn vorbei, reduziert sich dessen Licht ein wenig – vorausgesetzt, der Beobachter befindet sich in jener Ebene, in der die Sonne und ihre Planeten liegen.

Ereignet sich ein solcher "Transit", können auch Hinweise auf die Zusammensetzung der Planetenatmosphäre und Rückschlüsse auf mögliches Leben gesammelt werden. Derartige Ereignisse ermöglichen es der Wissenschaft, seit den 1990er-Jahren immer mehr potenziell bewohnbare extrasolare Planeten aufzuspüren.

Blick auf die Menschheit

Wie es um die Voraussetzungen für eine derartige Entdeckung von uns "Aliens" aus der Sicht anderer intelligenter Lebewesen bestellt ist, haben Kaltenegger und Faherty anhand von Daten des Weltraumteleskop "Gaia" der Europäischen Raumfahrtagentur Esa erhoben. Das Teleskop vermisst unsere kosmische Umgebung seit dem Jahr 2014.

In einem für astronomische Verhältnisse engen Umkreis von immerhin 326 Lichtjahren fanden die Wissenschafterinnen exakt 2.034 Sonnensysteme, von denen aus unser Heimatplanet in einem Zeitraum von 10.000 Jahren theoretisch beobachtet werden könnte. Seit sich die menschliche Zivilisation vor rund 5.000 Jahren zu entwickeln begann, hatten demnach insgesamt 1.715 Sonnensysteme zumindest die Chance, einen Blick in unsere Richtung zu machen – befanden sich also zumindest zeitweise in der Transitzone der Erde. In den nächsten 5.000 Jahren wiederum kämen noch 319 weitere dazu, so die Forscherinnen.

Radiowellen an 75 Sterne

Im Umkreis von rund 100 Lichtjahren finden sich immerhin 117 Sterne, die in das engere Schema passen. Seit rund 100 Jahren übermittelt die Menschheit nämlich auch von kommerziellen Radiostationen ausgehende Radiowellen an ihr Umfeld im All. Laut der neuen Analyse könnten die Wellen 75 Sterne im 100-Lichtjahr-Umkreis erreicht haben, haben Kaltenegger und Faherty errechnet.

Von sieben der insgesamt 2.034 identifizierten Sterne weiß man bereits, dass sie von Exoplaneten umkreist werden. Jede dieser Welten hatte schon die Möglichkeit – oder wird in einigermaßen absehbarer Zeit die Möglichkeit haben –, die Erde mit der Transitmethode zu detektieren, so wie Forscher auf der Erde bereits tausende ferne Planeten nachgewiesen haben.

Grund zur Weitersuche

Unter den 117 Sternen im näheren Umfeld schätzen die Wissenschafterinnen, dass es 29 Planeten in der bewohnbaren Zone geben müsste. Es sei nämlich davon auszugehen, dass fast jeder Stern zumindest von einem Planeten begleitet wird, in etwa jeder Vierte dürfte auch in der habitablen Zone liegen, erklärte Kaltenegger der APA.

Gerade in der näheren Umgebung wisse man noch wenig über etwaige Begleiter der Zentralgestirne: Das liegt daran, dass Licht relativ vieler, relativ naher Sterne es erschwert, die nur minimale Absenkung der Strahlung beim Planeten-Transit überhaupt zu detektieren.

"Aber jetzt haben wir einen guten Grund, diese 2.034 Sterne nach Planeten abzusuchen. Darum haben wir diesen Artikel geschrieben und diese Liste der Sterne erstellt, damit Beobachter jetzt diese Sterne ins Visier nehmen können, die die Erde als Transit sehen könnten", so Kaltenegger.

Vier Systeme mit potenziellem Kontakt

Am interessantesten sind für die Wissenschafterin schon bekannte Exoplaneten in habitablen Zonen: Davon gibt es einen im Ross 128-System in rund elf Lichtjahren Entfernung. Von dort aus war die Erde 2.158 Jahre lang sichtbar, vor 900 Jahren entschwand sie für etwaige Ross 128-Bewohner aber aus dem Blickfeld.

Vielversprechend sei auch das 45 Lichtjahre entfernte Trappist-1-System. Hier gibt es gar sieben entdeckte Planeten, von denen vier im gemäßigten Bereich sind. Bis die Erde in deren Sichtfeld gelangt, dauert es aber noch 1.642 Jahre. Insgesamt gibt es vier Systeme mit derartigen Exoplaneten, die schon Radiowellen empfangen und im Untersuchungszeitraum Sicht auf den Blauen Planeten hatten oder haben werden. (APA, red, 23.6.2021)