Regisseurin Maria Schrader (li.) mit Schauspielerin Maren Eggert am Set von "Ich bin dein Mensch".

Foto: Filmladen/Christine Fenzl

Im Nachhinein könnte man sagen, die Zeit hat es gut mit Maria Schrader gemeint. Als sie Anfang 2020 ihre Netflix-Serie Unorthodox auf Festivals präsentieren wollte, grätschte der Ausbruch der Corona-Pandemie dazwischen, sie musste in Berlin bleiben. Ihre Adaption des Bestsellers von Deborah Feldman über eine junge, strenggläubige Jüdin, die ihre Gemeinde im Brooklyner Williamsburg verlässt und in Berlin ein neues Leben beginnt, wurde trotzdem ein großer Erfolg. In den USA lobten prestigeträchtige Medien wie die New York Times oder der New Yorker den feinfühligen, ausgeglichenen Ton der verhältnismäßig klein budgetierten Miniserie.

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Anfang Juni wurde nun bekannt, dass Unorthodox für Schrader nun sogar zum Sprungbrett nach Hollywood wird – genau genommen in dessen Schattenzonen. Ihren nächsten Film She Said dreht sie in den USA, er handelt vom Fall des Produzentenmoguls Harvey Weinstein und damit vom Auftakt zur MeToo-Bewegung: Carey Mulligan und Zoe Kazan sollen die Hauptrollen spielen, Brad Pitts Firma Plan B ist einer der Koproduzenten.

Voller Ambition

Schrader ist gerade nicht aufzuhalten. Dabei ist die Regiekarriere der 54-Jährigen, die sie parallel zu einer erfolgreichen Laufbahn als Schauspielerin gestartet hat, noch recht jung: 2007 inszenierte sie ihr Debüt Liebesleben, 2016 kam sie dann mit dem formal avancierten Stefan-Zweig-Film Vor der Morgenröte, in dem Josef Hader den schwermütigen Schriftsteller spielte, groß heraus. Schon da war klar, dass Schrader Regie nicht als zweite Option versteht, sondern diesen Weg mit Ambition eingeschlagen hat.

"Ich wollte eine Zeitlang Fotografin werden und hatte auch meine eigene Dunkelkammer", erzählt Schrader im STANDARD-Interview, wenn man sie nach den Ursprüngen ihrer Begeisterung für die Regie fragt. "Als Regisseurin bin ich Autodidaktin, ich war nie auf einer Filmschule. Natürlich hat die Schauspielerei meinen Zugang zum Filmemachen stark kanalisiert." Mittlerweile sei ihr Filmemachen wichtiger. "Ich möchte keinen Film um mich als Schauspielerin herum machen."

An vielen Sets gelernt

Gelernt hat Schrader, die am Max-Reinhardt-Seminar nur zwei Jahre durchhielt und dann Tanz und Gesang ausprobierte, am Set vieler Regisseure, darunter Doris Dörrie oder Roland Suso Richter und natürlich Dany Levy – die beiden waren über ein Jahrzehnt lang auch privat verbunden. Mit ihm gemeinsam hat sie sieben Filme gemacht, fünf davon unter seiner Regie. In ihrem jüngsten Film, Ich bin dein Mensch, beweist Schrader nun ihre stilistische Wandlungsfähigkeit. Die Komödie, die es in den Wettbewerb der Berlinale schaffte, ist populärer angelegt als frühere Arbeiten, aber keineswegs ohne individuelle Note.

Handelt die klassische Screwball-Comedy von der "Erschaffung der Frau", wie es der US-Philosoph Stanley Cavell einmal formulierte, so ist es hier umgekehrt: Die alleinstehende, aber keineswegs vereinsamte Berliner Wissenschafterin Alma (Maren Eggert) testet den Prototyp eines Liebesroboters (verkörpert vom Briten Dan Stevens). Er zieht mit strahlendem Lächeln bei ihr ein, ordnet die Bücherwand nach Farben, macht Frühstück – und nervt. Pausenlos feuert er romantische Klischees ab: heißes Bad mit Sekt und Rosen, solche Sachen. Kurzum, es gibt Luft nach oben.

Lässt sich dieser Tom als Netflix-Profil beschreiben, das noch keine persönlichen Präferenzen aufweist? Schrader lacht laut auf. "Ja, er besteht aus einem Pool aus Halbwissen – Mind-Files, Neuro-Links und Charaktereigenschaften, aus denen sich der Algorithmus bedient, um den Computer zu personalisieren. Der kleinste gemeinsame Nenner ist also das stereotype Kompliment." Bei Alma stößt er damit allerdings auf Granit: "Sie sagt dann bald einmal: ‚Scheiß auf die 17 Millionen Files und die ganzen Spießerfantasien.‘"

Lapidarer Sextest

Ich bin dein Mensch übersetzt den sukzessiven Wandlungsprozess eines zankenden Paares in die Konstellation Frau mit Maschine. Erst Schrader verlieh der Vorlage von Emma Braslavsky den komischen Dreh, sie wolle vor allem "mit Sehgewohnheiten spielen". Die befremdende Komponente hat sie weniger interessiert – Alma ist mehr von der Einfalt Toms abgestoßen als von seinem technoiden Innenleben. Sogar der Sextest fällt fast lapidar aus.

Das will Schrader nicht ganz so gelten lassen: "Das war für uns schon eine große Frage: Wenn Tom in allem besser ist, dann muss er auch der beste Liebhaber aller Zeiten sein." Sex sei ja immer etwas lächerlich, sie wollte allerdings zeigen, dass Alma einen Schritt in ihrem Kopf machen muss, "eine Art Konzentrationsaufgabe". Sie müsse bestimmte Dinge vergessen. "Zumindest Frauen kennen dieses Gefühl", ergänzt sie verschmitzt.

Alma betrachtet Schrader übrigens als Alter Ego, von allen bisherigen Figuren komme sie ihr am nächsten – sie hat diesen "bestimmten Blick aufs Leben". In Maren Eggert, die bei der Berlinale den Silbernen Bären gewonnen hat, habe sie sich schon beim Casting verliebt.

"Es ist ein Vorteil, die Schauspielerei so gut zu kennen. Ich habe keine Angst", sagt Schrader. "Früher dachte ich immer, man sitzt als Schauspieler am kürzeren Hebel. Inzwischen weiß ich, welche unglaubliche Macht sie über einen ausüben können." Weil sie beide Seiten kenne, könne sie diese nun auch besser voneinander trennen. Dass sie dabei einer äußerst klaren Vorstellung folgt, beweist dieser Satz: "Es gibt Momente, da denke ich: Warum ist das jetzt kein Animationsfilm? Dann könnte ich genau das umsetzen, was ich will." (Dominik Kamalzadeh, 24.6.2021)