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Sollte Eric Adams tatsächlich neuer Bürgermeister von New York werden, wäre das für ihn selbst der "amerikanische Traum". Die Chancen darauf stehen ausgezeichnet.

Foto: Reuters / Andrew Kelly

Am Wahltag sprach Eric Adams von seiner persönlichen Reise, die an sich schon ein Erfolg sei. Nachdem er abgestimmt hatte, stellte er sich vor ein Wahllokal in Bedford-Stuyvesant, einem Viertel, das wie etliche andere in New York im Zeichen rasanter Gentrifizierung steht, und skizzierte seinen Lebenslauf. Aufgewühlt rief er in Erinnerung, wie er als 15-Jähriger mit schmerzendem Körper im Keller einer Polizeiwache lag, misshandelt von Beamten, die ihm immer wieder Fußtritte in die Leistengegend versetzt hatten. Und jetzt, beendete er den Ausflug ins Biografische, werde er vielleicht Bürgermeister, sodass ihm dasselbe Police Department unterstehe, unter dem er damals so gelitten habe. "Das ist der amerikanische Traum. Ich bin eine New Yorker Story."

Tatsächlich hat Adams von allen Kandidaten die besten Chancen, in die Chefetage des Rathauses von New York einzuziehen. Bei den Vorwahlen der Demokratischen Partei ging er am Dienstag als Erster durchs Ziel. Weil die Stadt eher den Demokraten zuneigt, ist der Sieger des Rennens glasklarer Favorit, wenn im November der Bürgermeister bestimmt wird.

Nach Auszählung von rund neun Zehnteln der abgegebenen Stimmen liegt Adams mit 32 Prozent vorn. Es folgen die Bürgerrechtsjuristin Maya Wiley, Favoritin des linken Flügels, und Kathryn Garcia, eine Verwaltungsexpertin, die bis vor kurzem das Amt für Stadtreinigung leitete. Wiley kommt vorläufig auf 22, Garcia auf 19 Prozent.

Mehr Hype als Realität

Andrew Yang, ein früherer Start-up-Unternehmer, dessen Eltern aus Taiwan stammen, bleibt mit knapp zwölf Prozent unter den Erwartungen. Eine Zeitlang hatte es so ausgesehen, als könnte mit ihm erstmals ein Bewerber asiatischer Herkunft das höchste Amt in der größten US-Stadt übernehmen. Aber das war wohl mehr Hype als Realität.

Der Teufel steckt nun im Detail. Zum ersten Mal wird der Sieger nach einem System ermittelt, bei dem die Wähler nicht nur einen Namen ankreuzen, sondern fünf nach ihrer persönlichen Rangfolge auf die Plätze eins bis fünf setzen können. Dadurch zieht sich das Auszählen hin, es könnte noch einige Tage dauern, bis das Ergebnis feststeht.

22 Jahre Polizist

Adams jedenfalls wäre nach David Dinkins, Bürgermeister von 1990 bis 1993, erst der zweite Afroamerikaner auf dem Chefposten der City Hall. Was in den Augen derer, die ihm den Zuschlag gaben, wahrscheinlich stärker ins Gewicht fällt: Bevor er in die Politik wechselte, erst ins Bundesstaatenparlament New Yorks, dann an die Spitze der Verwaltung von Brooklyn, war er 22 Jahre lang Polizist gewesen.

Viele trauen ihm am ehesten zu, die nach fast drei Dekaden rückläufiger Trends erneut wachsende Kriminalität wirkungsvoll zu bekämpfen. Die Mordrate in der Stadt liegt um 45 Prozent höher als vor zwei Jahren, die Zahl der Schießereien hat sich verdoppelt. Adams kündigte an, die Polizeipräsenz in der U-Bahn zu erhöhen und verstärkt verdeckte Ermittler einzusetzen, um illegale Waffenkäufe einzudämmen. Der Idee, der Polizei die Mittel zu streichen und das eingesparte Geld für soziale Zwecke auszugeben, begegnet er mit ausgeprägter Skepsis.

Nach dem Tod George Floyds waren in New York Zehntausende auf die Straßen gegangen, um sowohl gegen brutale Exzesse zu protestieren als auch ein "defund the police" zu verlangen. Von Slogans halte er nichts, entgegnete Adams. Das "defund the police", spitzte er es einmal zu, sei eine Parole junger Weißer aus wohlhabenden Verhältnissen, deren Lebenswirklichkeit eine andere sei als die von Menschen mit dunkler Haut in problembeladenen Vierteln.

36.000 Polizisten

Sicher könne man im New York Police Department (NYPD) mit seinen 36.000 Uniformierten und einem Jahresetat von sechs Milliarden Dollar hier und da sparen. Nur dürfe dies nicht dazu führen, dass weniger Beamte patrouillierten.

Die Botschaft kam an. Falls es sich denn bestätigt, signalisiert das Resultat wohl auch eine gewisse Ernüchterung nach dem Sommer der Proteste im letzten Jahr. Wiley, Afroamerikanerin wie Adams, segelte zuletzt mächtig im Aufwind, nachdem sie von der Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, der Galionsfigur der Linken, zur Wahl empfohlen worden war. Unbeirrt hielt sie fest an der Forderung, das NYPD-Budget zu kürzen. Das Bekenntnis sicherte ihr eine treue Anhängerschaft, ließ sie aber offensichtlich auch an Grenzen stoßen. (Frank Herrmann aus Washington, 23.6.2021)