Sieben Jahre lang war Sepp Schellhorn für die Neos im Parlament. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger wird ihn als "einen meiner engsten Vertrauten" vermissen, schrieb sie am Donnerstag in Reaktion auf Schellhorns Rückzug.

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Wien – Er war in seinen vergangenen sieben Jahren im Nationalrat einer der wichtigsten und lautesten Abgeordneten der Neos. In der Hochphase der Pandemie überflügelte der Wirtschaftssprecher mit unzähligen Medienauftritten samt scharfer Kritik am bürokratischen Wirrwarr der Lockdown-Entschädigungen zeitweise sogar Parteichefin Beate Meinl-Reisinger an öffentlicher Präsenz. Doch nun hat Josef "Sepp" Schellhorn am Donnerstag seinen Rückzug von allen politischen Funktionen bekanntgegeben.

In seiner ausführlichen Abschiedserklärung nennt der 54-Jährige zwei große Gründe, die ihn zu seinem – für Beobachter durchaus überraschenden – Schritt bewogen haben. Erstens, "weil ich meine ganze Kraft für meine Betriebe und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauche". Schellhorn besitzt ein von den Eltern übernommenes Hotel in seinem Salzburger Heimatort Goldegg, überdies Lokale in Bad Hofgastein und Sportgastein sowie ein Restaurant am Mönchsberg in der Stadt Salzburg. Die Gastronomie arbeite nach den Corona-Lockerungen derzeit "am Anschlag", da brauche es ihn dringend vor Ort, sagt er.

Doch hat Schellhorn, und das ist der zweite Grund, auch von der politischen Arena selbst genug, "weil sie mir nur mehr Kraft raubt und eine Überdosis an Gift freisetzt". Der Ton in der Auseinandersetzung habe sich auf allen Seiten verschärft, wobei Schellhorn – einst selbst für die ÖVP und den schwarzen Wirtschaftsbund aktiv – die Ursache dafür vor allem bei den Türkisen verortet. Freilich eilt Schellhorn selbst der Ruf eines angriffigen und bisweilen überschießend formulierenden Redners voraus. Für eine sexistische Entgleisung gegenüber Ex-Innenministerin Maria Fekter im Jahr 2015 entschuldigte er sich daher in seiner Abschiedserklärung abermals.

Seit kurzem nicht mehr Vizeparteichef

Erst vergangenes Wochenende räumte Schellhorn bei der Neos-Mitgliederversammlung (ebenso wie Nikolaus Scherak) den Posten des stellvertretenden Parteichefs von Meinl-Reisinger. Am Samstag wurde noch in einer Aussendung verkündet, er werde im Klub "weiterhin die Stimme der Unternehmer" bleiben. Dass hinter dem nunmehr wenige Tage später erfolgten Abgang parteiinterne Verstimmungen stehen könnten, stellt man bei den Neos aber vehement in Abrede. Gegen einen Zwist spricht auch die mit der Parteichefin medial koordinierte Rückzugserklärung am Mittwoch. Eine Neos-Sprecherin sagt denn auch zum STANDARD, dass schon Schellhorns Ausscheiden aus dem Parteivorstand auf dessen Wunsch erfolgt sei, um sich mehr auf seine Betriebe fokussieren zu können.

Schellhorn ist aber nicht die einzige Stütze, die die Neos dieser Tage verlässt. Auch Neos-Generalsekretär Nikola Donig steigt Ende des Monats aus und wechselt zu einer NGO. Zwei Lücken, die zu füllen keine leichte Aufgabe für die kleinste Oppositionspartei im Parlament sein wird.

Innsbruckerin Seidl zieht in Nationalrat ein

Die Agenden des Wirtschafts- und Tourismussprechers wird Gerald Loacker von Schellhorn übernehmen. Der marktliberale Vorarlberger ist ein pinkes Urgestein, hat allerdings – gerade in Pandemiezeiten – als Sozial- und Gesundheitssprecher ohnedies reichlich zu tun. Schellhorns Zuständigkeit für den Kulturbereich, dem er zuletzt nach eigenen Angaben "zu wenig Aufmerksamkeit" widmen konnte, soll zunächst einmal an Klubchefin Meinl-Reisinger gehen. Die Sprecherrollen dürften aber in den nächsten Wochen noch umsortiert werden, heißt es zum STANDARD. Das im Nationalrat frei werdende Mandat der Neos wird die Innsbrucker Gemeinderätin und Unternehmerin Julia Seidl besetzen. Sie soll im Juli angelobt werden. (Theo Anders, 24.6.2021)