Wien – Die Stimmung in der Wirtschaft kippt. Und zwar zum Positiven. Nach 15 Monaten Pandemie zeichnet sich erstmals ein wirklicher Aufwärtstrend ab, wie die beiden Forschungsinstitute Wifo und IHS am Donnerstag bei ihrer Konjunkturprognose für 2021 und 2022 bekanntgaben.

Sofern aus epidemiologischer Sicht nichts mehr dazwischenkommt und die Impfkampagne gut weiterläuft, dürfte der dramatische Wirtschaftseinbruch des Vorjahres überstanden sein, so lautete der Tenor. Mit der hohen Arbeitslosigkeit, Inflationssorgen, möglichen Virusmutationen und dem Budgetdefizit bleibt die Prognose dennoch mit einem nicht unwesentlichen Restrisiko behaftet.

Optimismus

Wie sehen die positiven Annahmen aus? Das IHS erwartet einen realen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für heuer um 3,4 und kommendes Jahr um 4,5 Prozent. Beim Wifo zeigt man sich noch optimistischer und geht von vier bzw. fünf Prozent aus. Besonders die Industrie soll sich günstig entwickeln, was die die Gewerkschaften Pro-Ge und GPA freut. Der Konjunkturaufschwung liefere gute Voraussetzungen für die Metallerlohnverhandlungen im Herbst.

Man stelle sich deswegen auf harte Verhandlungen ein, denn reine Inflationsabgeltung sei nicht genug. Ein ordentlicher Reallohnzuwachs müsse bei den Arbeitern ankommen, sagen die Chefverhandler Rainer Wimmer und Karl Dürtscher.

Kommendes Jahr soll dann laut Prognose auch der Tourismus wieder voll anziehen. "Der Tourismus findet nach der langen krisenbedingten Durststrecke Stück für Stück zu seiner alten Stärke zurück", meinte die Österreichische Hoteliervereinigung.

Neue Einschätzung der Lage

Vor drei Monaten war die Situation noch eine ganz andere, beide Institute zeichneten ein düsteres Bild und hatten eine wirtschaftliche Erholung für heuer eigentlich abgesagt. Zu schwer habe der Einbruch um 6,3 Prozent die Wirtschaft getroffen, und zu unsicher sei die gesundheitliche Situation gewesen.

Als Grund, warum der Aufschwung jetzt so unerwartet schnell gekommen ist, verwies man unter anderem auf die deutlich verbesserte Gesundheitssituation, den zuletzt nur recht kleinen Lockdown im Osten des Landes sowie die positiven Einflüsse der Weltkonjunktur, allen voran in den USA und China.

Alles deutet auf einen Aufschwung hin – besonders der Tourismus soll 2022 gut laufen.
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An Lockdown angepasst

Überdies hätten sich sowohl die Gewerbetreibenden als auch die Konsumenten besser auf die Lockdowns eingestellt. "Die Betriebe haben ihr Angebot entsprechend angepasst, und nach dem vierten Lockdown haben die Menschen teilweise dreimal so schnell wieder mit dem Einkaufen begonnen. Auch das vorsichtige Sparen nimmt immer mehr ab", sagt Wifo-Chef Christoph Badelt bei seiner Abschiedspressekonferenz. Er ist seit kurzem Präsident des Fiskalrats, die Wifo-Leitung übernimmt ab Oktober Gabriel Felbermayr.

Wo liegen die Unsicherheiten? Der größte – vorhersehbare – Wermutstropfen dürfte die Arbeitslosigkeit sein, denn sie soll auch 2022 noch über Vorkrisenniveau (7,4 Prozent) liegen. Dennoch finden fortlaufend mehr Menschen wieder einen Job, die Arbeitslosenquote soll auf 8,4 bzw. 7,9 Prozent sinken. Vergangenes Jahr lag sie fast bei zehn Prozent.

Inflation, Mutationen und Budget

Das totgeglaubte Gespenst Inflation geistert wieder herum: Im Mai schoss die Inflation in Österreich auf 2,8 Prozent, in solchen Gegenden bewegte sich die Teuerungsrate lange nicht. Die Ökonomen sehen im Preisanstieg nur einen temporären Effekt: "Wir glauben nicht an den Beginn einer Aufwärtsspirale. Für ein bis zwei Jahre höhere Inflation ist kein Problem." Der Preisanstieg hänge stark mit dem Ölpreis zusammen, Öl sei vergangenes Frühjahr extrem billig gewesen.

Vor allem die Industrie dient als Zugpferd für den Weg aus der wirtschaftlichen Misere. Die Gewerkschaften stellen sich bereits auf harte Lohnrunden ein.
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Ebenfalls nicht ganz rosig sind die Aussichten beim Thema Staatsbudget. Der Saldo wird stark negativ bleiben, so viel steht fest. Das Wifo geht von einem Defizit in Höhe von 6,6 Prozent aus, das IHS von 7,4 Prozent. Ob das Wirtschaftswachstum reiche, um aus den Schulden zu kommen? Nein, zumindest nicht in einem vernünftigen Zeitraum, so Badelt. Doch rechne man, dass das Defizit 2022 auf 2,3 Prozent sinken und sich die Schuldenquote den 80 Prozent nähern könnte.

Und die Delta-Variante?

Bleibt noch der ursprüngliche Auslöser der Krise, das Coronavirus, doch das beunruhigt momentan wenig. "Selbst die Delta-Variante ist durch die Impfung gut bekämpfbar. Für gut entwickelte Volkswirtschaften sehe ich kein Problem", sagt IHS-Experte Helmut Hofer. Um die Pandemie loszuwerden, müsse man aber auch weniger entwickelte Länder unterstützen. Mit der Pandemie und deren Entwicklung hat niemand gerechnet, mit dementsprechenden Unsicherheiten sind die Prognosen behaftet. "Das gute Wachstum vom heurigen zweiten und dritten Quartal kann uns aber niemand mehr nehmen", meint Badelt. Damit hat er mit Sicherheit recht. (Andreas Danzer, 24.6.2021)