Zwei Teamchefs im Mittelpunkt: Österreichs Franco Foda (55) und Italiens Roberto Mancini (56).

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Gianluigi Donnarumma kassierte bei der EM noch kein Gegentor.

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Christoph Baumgartner schoss Österreich ins Achtelfinale.

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Achtelfinale: Wales vs. Dänemark, 18 Uhr und Italien vs. Österreich, 21 Uhr

Euphorie, sagte der Psychologe, ist eine dem objektiven Zustand nicht entsprechende, gesteigerte Gemütsstimmung. Österreichs Fußballteam beschenkte sich bei der EM schon zweimal mit dieser Gefühlslage, zweimal wurde sie in Bukarest ausgelöst. Das 3:1 gegen Nordmazedonien und speziell das 1:0 gegen die Ukraine waren schuld daran. Dazwischen, nach dem 0:2 gegen die Niederlande, war man immerhin nicht mental zerstört. Möglicherweise führte es zur Erkenntnis, dass Bäume nicht in den Himmel wachsen müssen. Aber das wussten Franco Fodas Mannen ohnedies, sie haben zwar Selbstvertrauen und Qualitäten, neigen aber nicht zur Selbstüberschätzung.

Vom Himmel runter schaut quasi Italien, der Achtelfinalgegner am Samstag im legendären Wembley. Der englische Schiedsrichter Anthony Taylor pfeift um 21 Uhr an, es sollte in London ungefähr 17 Grad Celsius haben. Die Italiener sind seit 30 Partien ungeschlagen (man kann es nicht oft genug erwähnen), haben zuletzt elfmal zu null gespielt (Tordifferenz 32:0), sind durch die Vorrunde marschiert, als wäre sie ein Hobbyturnier für Ministranten gewesen. Ihre Euphorie ist ein Dauerzustand. Die Elf von Coach Roberto Mancini widerlegt die psychologische (medizinische) Definition ein wenig. Andererseits sind die Großen, die Mächtigen nicht so anfällig für Gefühlsexplosionen.

Schonung für Rasen

Der ÖFB-Tross ist am Freitagnachmittag in London gelandet. Das abendliche Abschlusstraining im Wembley musste gestrichen werden, es wurde nach Seefeld vorverlegt. Auch heiliger Rasen braucht Schonung. Die Anspannung nimmt zu, die Vorfreude wächst, das Adrenalin macht sich bereit, "aus den Ohrwascheln zu spritzen" (Zitat Christoph Baumgartner). Die Euphorie der vergangenen Tage hat sich in der Bergluft etwas abgekühlt, was eine gute Basis für die nächsten ist.

Das verbale Vorgeplänkel neigt sich dem Ende zu, die Ziele sind ausformuliert. Zusammenfassung: "In einem Spiel ist alles möglich" und: "Wir haben keine Angst, wollen die nächste Geschichte schreiben." Sportdirektor Peter Schöttel wurde philosophisch, betonte das Spezielle am Fußball: "Das ist anders als bei einem Theaterstück, wo du weißt, was passiert, wie es ausgeht." Im Fußball könne der Zufall die Regie durcheinanderbringen. "Da kann es am Anfang einen Ausschluss geben, da kann es eine schlechte Tagesverfassung beim Gegner geben, eine überragende bei uns." Kann, muss aber nicht sein.

Plan und Team steht

Teamchef Foda, der nach dem Aufstieg der Freude ihren Lauf ließ und emotional verblüffte, hat einen Plan. Natürlich verrät er ihn nicht. Es ist mit der Aufstellung wie beim 1:0 gegen die Ukraine zu rechnen, Kapitän David Alaba also wieder links in der Viererkette. Martin Hinteregger und Florian Grillitsch sind fit, es gibt kaum Argumente, etwas zu ändern. Foda: "Klar sind wir krasser Außenseiter, aber es gibt trotzdem immer so ein paar Prozent." Ein 50:50-Spiel sei es nicht. "Es sind einige Prozent weniger, aber das macht nichts. Selbst wenn es nur zehn Prozent sind – damit kann man auch etwas bewegen. Wenn es null Prozent wären, wäre es schlimm. Aber so sehe ich die Situation nicht." Sein Lösungsvorschlag: "Mut, Entschlossenheit."

Die Italiener hätten eine andere, flexiblere (bessere) Spielanlage als die Ukrainer, sagte Foda. Linksverteidiger Leonardo Spinazzola orientiere sich in Ballbesitz nach vorne, aus dem 4-3-3 wird dadurch im Aufbau hinten eine Dreierkette. Für die Tiefe sorge Mittelstürmer Ciro Immobile. Foda warnte vor allem vor den Rollen, die Lorenzo Insigne und Nicolo Barella in diesem System einnehmen. "Da müssen wir uns Gedanken machen, wie wir da Zugriff bekommen." Keine großen Auswirkungen attestiert Foda dem wahrscheinlichen Ausfall von Italiens Kapitän Giorgio Chiellini im Abwehrzentrum.

Fans aus Österreich und Italien ausgesperrt

40.000 Zuschauer sind zugelassen, Fans aus Österreich und Italien durften nicht einreisen, sie hätten zehn Tage in Quarantäne müssen (Delta-Variante!). Foda macht der fehlende Support traurig, die Pandemie bleibt eine Zumutung. Viertelfinalgegner wäre am 2. Juli der Sieger aus Belgien gegen Portugal. Der ÖFB hat Spione entsandt. Diese Bühne steht dann in München. Das wäre ein Theaterstück. Ein euphorisches. (Christian Hackl aus London, 25.6.2021)

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Das neue Wembley-Stadion, 2007 eröffnet, hat schon einige wichtige Partien gesehen. Aus österreichischer Sicht ist jene am Samstag die wichtigste.
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Chronologie: Österreich vs. Italien

Über fast zwei Jahrzehnte hinweg nimmt Italien neun Anläufe, um den Favoriten Österreich zu ärgern, erst im zehnten gelingt ein knapper 2:1-Erfolg. Wir sprechen natürlich nicht von Gegenwartsfußball; es sind die ersten Duelle der beiden Staaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Österreich zu den Fußball-Großmächten zählt.

Zwischen 1932 und 1960 begegnen sich die Nachbarländer auf Augenhöhe. Sechs Spiele kann Österreich für sich entscheiden, fünf gewinnt Italien, eines endet remis und eines vorzeitig und ungewertet.

Seit 1962 war für Österreich nichts mehr zu holen. In zehn der vergangenen 13 Spiele geht Italien als Sieger vom Platz (darunter auch bei den Weltmeisterschaftsendrunden 1978, 1990 und 1998). Die anderen drei Spiele, darunter auch das bisher letzte Aufeinandertreffen 2008 (2:2) enden remis.

In der Gesamtbilanz profitiert Österreich nach wie vor von der Dominanz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Denn auch wenn in der Summe der 36 gewerteten Spiele 55 österreichische und 47 italienische Tore fielen, waren die 1950er-Jahre das bisher letzte Jahrzehnt mit österreichischem Torüberhang. (mcmt)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen:

Italien – Österreich (London, Wembley-Stadion, 21.00 Uhr MESZ/live ORF 1, SR Taylor/ENG):

Italien: 21 Donnarumma (AC Milan/29 Länderspiele) – 2 Di Lorenzo (Napoli/9/0 Tore), 19 Bonucci (Juventus Turin/105/7), 15 Acerbi (Lazio Rom/16/1), 4 Spinazzola (AS Roma/16/0) – 18 Barella (Inter Mailand/25/5), 8 Jorginho (Chelsea/31/5), 6 Verratti (Paris Saint-Germain/41/3) – 11 Berardi (Sassuolo/13/5), 17 Immobile (Lazio Rom/48/15), 10 Insigne (Napoli/43/9)

Ersatz: 1 Sirigu (Torino/27), 26 Meret (Napoli/2) – 13 Emerson (Chelsea/16/0), 23 Bastoni (Inter Mailand/6/0), 25 Toloi (Atalanta Bergamo/5/0), 5 Locatelli (Sassuolo/12/3), 7 Castrovilli (Fiorentina/3/0), 12 Pessina (Atalanta Bergamo/7/3), 16 Cristante (AS Roma/14/1), 20 Bernardeschi (Juventus Turin/32/6), 9 Belotti (Torino/35/12), 14 Chiesa (Juventus Turin/28/1), 22 Raspadori (Sassuolo/2/0)

Fraglich: 3 Chiellini (Juventus Turin/109/8 – nach Oberschenkelproblemen), 24 Florenzi (Paris Saint-Germain/44/2 – Wadenverletzung)

Österreich: 13 Bachmann (Watford/5) – 21 Lainer (Mönchengladbach/32/2), 3 Dragovic (Bayer Leverkusen/93/2), 4 Hinteregger (Eintracht Frankfurt/58/4), 8 Alaba (Bayern München/84/14) – 23 X. Schlager (Wolfsburg/23/1), 10 Grillitsch (Hoffenheim/25/1) – 24 Laimer (RB Leipzig/12/1), 9 Sabitzer (RB Leipzig/53/8), 19 Baumgartner (Hoffenheim/13/4) – 7 Arnautovic (Shanghai Port/90/27)

Ersatz: 1 A. Schlager (LASK/6), 12 Pervan (Wolfsburg/7) – 2 Ulmer (Salzburg/26/0), 5 Posch (Hoffenheim/11/1), 15 Lienhart (Freiburg/6/0), 16 Trimmel (Union Berlin/13/0), 26 Friedl (Werder Bremen/3/0), 6 Ilsanker (Eintracht Frankfurt/53/0), 14 Baumgartlinger (Bayer Leverkusen/84/1), 17 Schaub (Luzern/21/6), 18 Schöpf (Schalke/28/5), 11 Gregoritsch (Augsburg/28/5), 20 Onisiwo (Mainz/12/1), 25 Kalajdzic (Stuttgart/10/3)

Es fehlt: 22 Lazaro (Mönchengladbach/32/3 – Muskelverletzung im Oberschenkel)