Das Leitungstrio des Josefstadt-Theaters: Direktor Herbert Föttinger, Stiftungsvorstand Günter Rhomberg, kaufmännischer Leiter Alexander Götz (von rechts nach links).

Moritz Schell

Am Mittwoch präsentierte das Theater in der Josefstadt seinen Plan für die nächste Spielzeit: Ganze 17 Produktionen kündigte Direktor Herbert Föttinger an – und dass er 2026 "Schluss macht", dann wird er die Wiener Institution nämlich 20 Jahre geleitet haben. Das Motto für die nächsten Jahre: "Empört euch!"

Empört war Föttinger in den letzten eineinhalb Jahren des Öfteren – konkret, als es darum ging, die schleppend anlaufenden Corona-Hilfen für die Kulturbetriebe mit strengen Worten einzufordern.

Jetzt allerdings dürfte die Empörung auch auf politischer Seite groß sein. Laut STANDARD-Informationen soll das Theater in der Josefstadt nämlich nach den überstandenen Pandemie-Lockdowns mit einem Budgetloch von zwischen acht und zehn Millionen Euro dastehen. Schulden, die unter anderem deswegen zustande gekommen sein sollen, weil die Josefstadt es verabsäumt haben könnte, alle Mittel aus den staatlichen Corona-Hilfsprogrammen auszuschöpfen.

Alle Mittel ausgeschöpft?

Konkret soll das Privattheater, es wird von einer Stiftung getragen, aus der Kurzarbeitsregelung im zweiten Lockdown nur 200.000 Euro lukriert haben – eine unverhältnismäßig geringe Summe verglichen mit anderen Betrieben dieser Größe. Außerdem soll in der Josefstadt bei geschlossenen Türen weiterhin viel produziert, also geprobt worden sein, während andere Bühnen in den Schließzeiten die Produktion zurückgefahren haben.

Der Stiftungsvorstand des Privattheaters, der Kulturmanager Günter Rhomberg, skizzierte bei der mittwöchigen Programm-Pressekonferenz zwar die ungelösten Finanzsorgen, nannte aber keine Summen und verlor auch kein Wort darüber, dass man bei der Hilfsantragstellung zu lasch gewesen sein könnte.

Man wisse noch nicht, wie groß die Lücke ist, hieß es. Man wisse nur, "dass die Subventionsgeber am Ende gefordert sein werden". Schließlich sei man "unverschuldet in eine Situation gekommen, die bereinigt werden muss".

DER STANDARD konfrontierte das Leitungstrio, bestehend aus Herbert Föttinger, dem kaufmännischen Direktor Alexander Götz sowie Rhomberg, mit der Frage, ob der Bühnenbetrieb denn gar keine Schuld bei sich selbst sieht.

Josefstadt: "Nichts verabsäumt"

Das Trio übermittelte schriftliche Antworten: "Nein, die Josefstadt hat nichts verabsäumt, sondern sämtliche von der Regierung angebotenen Förderungen beantragt." Entscheidungen, wie hoch die Unterstützungsgelder sein werden, gebe es bis heute nur in einzelnen Fällen. Die ausstehenden Anträge würden von den Behörden bearbeitet, man warte auf Resultate.

Auch bei der Kurzarbeitsregelung habe man aus Josefstadt-Sicht nichts verabsäumt: Man habe in Summe zwei Millionen Euro daraus lukriert, im ersten Lockdown seien alle 360 Mitarbeitende auf Kurzarbeit gewesen, im zweiten nur noch 50, da man von einer früheren Fortsetzung des Spielbetriebes ausgegangen sei und vorbereitet sein wollte. Insgesamt habe man im Jahr 2020 4,4 Millionen Euro aus Hilfstöpfen erhalten, heißt es.

Hinzu kommt aber noch mehr: Denn die jährliche Subvention für das Theater in der Josefstadt vom Bund und der Stadt Wien in der Höhe von 17,7 Millionen wurde im Pandemiejahr noch einmal um 3,1 Millionen erhöht – allerdings unabhängig von Corona, wie man in der Josefstadt betont haben will.

Hoher Eigendeckungsgrad rächt sich

Dass sich der traditionell vergleichsweise hohe Eigendeckungsgrad der Josefstadt von 40 Prozent rächen würde, war allen Beteiligten klar: Statt der üblichen zehn Millionen Euro an Ticketeinnahmen konnten 2020 wegen der Schließung nur 1,4 Millionen erzielt werden.

Aber erklärt das allein das nun derart große Finanzloch? Die Fördergeber halten sich mit Schuldzuweisungen zwar zurück, hinter den Kulissen aber haben sie ihre Zweifel.

Unverständnis herrscht zudem darüber, dass die Josefstadt mit 17 angekündigten Produktionen für die nächste Spielzeit ans Sparen gar nicht zu denken scheint. Die Josefstadt erklärt das u. a. mit Verträgen und der Bedienung von Abos.

Die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) will auf STANDARD-Anfrage erst den Jahresabschluss der Bühne abwarten, ehe man über neue Hilfsmittel verhandeln könnte. Es seien auch weitere Hilfen des Bundes, etwa über den NPO-Fonds, noch zu erwarten.

Im Bund sieht man die Sache weniger entspannt: Derzeit fänden "intensive Gespräche" statt. Man lege schon ein "Augenmerk darauf zu prüfen, ob die Wirtschaftshilfen der Bundesregierung optimal genutzt wurden", heißt es aus dem Büro von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne). Von anderen Häusern seien dem Bund nämlich keine vergleichbaren Problemlagen bekannt.

Das Match zwischen Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger und der Politik dürfte also in die Verlängerung gehen. (Stefan Weiss, 24.6.2021)