Österreich hat acht Wochen Zeit, um auf die Kritik zu antworten. Sollte sie nicht umgesetzt werden, könnten die Fälle vor dem Europäischen Gerichtshof landen.

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Die Europäische Kommission klopft Österreich auf die Finger: Die Republik habe in Sachen Umweltschutz zum wiederholten Mal nicht ihre Hausaufgaben gemacht, findet die Behörde. Sie leitete Mitte Juni gleich mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein. Kritik gibt es an der Abfallwirtschaft und an der mangelnden Umsetzung der sogenannten Aarhus-Konvention.

Frage: Was ist die Aarhus-Konvention?

Antwort: Die Konvention ist ein internationales Übereinkommen, das 2001 in Kraft trat und grundlegende Rechte im Umweltschutz garantieren soll. Der Vertrag hat drei Säulen: das Recht auf Umweltinformationen, die Beteiligung der Öffentlichkeit an Umweltverfahren und ein geeigneter Rechtsschutz.

Frage: Wie wurde sie in Österreich umgesetzt?

Antwort: Die Konvention wurde schrittweise durch EU-Richtlinien und entsprechende nationale Gesetze eingeführt. In Österreich trat 2005 das Umweltinformationsgesetz in Kraft. Es garantiert Privatpersonen einen Informationsanspruch gegenüber Behörden und Unternehmen, die öffentliche Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes wahrnehmen. Die zweite und die dritte Säule der Konvention wurden durch die Anpassung einzelner Umweltgesetze umgesetzt. Die Konvention räumt Privatpersonen und NGOs einen Anspruch auf Verfahrensbeteiligung ein, wenn sie daran ein "ausreichendes Interesse" haben oder eine "Rechtsverletzung" geltend machen.

Frage: Was ist das Problem in Österreich?

Antwort: Die österreichische Umsetzung war von Beginn an unzulänglich: Bereits 2014 leitete die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik ein. 2018 besserte die türkis-blaue Regierung nach. "Politisch war eine ordentliche Umsetzung der Konvention aber nicht gewollt", sagt Erika Wagner, Professorin für Umweltrecht an der JKU Linz. "Man hat sie als etwas gesehen, das den Wirtschaftsstandort schädigt."

Frage: Was wirft die Kommission Österreich vor?

Antwort: Obwohl die Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren ergriffen wurden, "ein Schritt in die richtige Richtung" seien, gebe es laut Kommission nach wie vor Nachholbedarf. Zum einen muss die Öffentlichkeit – also Einzelpersonen oder NGOs – das Recht bekommen, an Umweltverfahren teilzunehmen. In Österreich ist das bisher nur in einzelnen Rechtsmaterien wie der Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen. Laut Wagner schreibt die Aarhus-Konvention allerdings vor, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung in allen Bereichen eingeführt werden müsse, die "erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben". Darüber hinaus kritisiert die Kommission, dass der Rechtsschutz grundsätzlich auf Einzelentscheidungen beschränkt sei. Verordnungen, die sich nicht an einzelne Personen, sondern an die Allgemeinheit richten, können dagegen nur schwer bekämpft werden. Bisher ist eine entsprechende Beschwerdemöglichkeit nur für Schutzverordnungen nach dem Immissionsschutzgesetz vorgesehen. Um den internationalen Vorgaben gerecht zu werden, müsste man dieses Modell aber auf weitere Umweltgesetze ausweiten, sagt Wagner.

Frage: Was ist das Problem bei der Abfallwirtschaft?

Antwort: Die EU-Kommission sieht auch Versäumnisse bei der Umsetzung von drei EU-Richtlinien zur Abfallwirtschaft. Dabei geht es vorrangig um Beschränkungen für die Deponierung von recycelbaren Abfällen und die Reduzierung von Verpackungsmüll. Im Gegensatz zum Verfahren wegen der Nichtumsetzung der Aarhus-Konvention ist Österreich damit nicht alleine: Zwölf weitere Mitgliedsstaaten erhielten aus diesem Grund Post aus Brüssel.

Frage: Wie geht es nun weiter?

Antwort: In Sachen Abfallwirtschaft kam die Republik dem Schreiben quasi zuvor. Die von der Kommission kritisierten Punkte sind in den Begutachtungsentwürfen der Verpackungsordnung und des Abfallwirtschaftsgesetzes bereits geplant. Österreich muss der Kommission allerdings noch Zeitpläne schicken.

Frage: Und was ist mit der Aarhus-Konvention?

Antwort: In diesem Bereich ist noch unklar, wie die Republik reagieren wird. Jedenfalls dürften weitreichende Gesetzesänderungen notwendig sein, sagt Erika Wagner. Österreich hat nun acht Wochen Zeit, um auf die Kritik zu antworten. Da das Mahnschreiben sämtliche Ministerien und Bundesländer umfasst, wird die Regierung wohl eine Verlängerung beantragen. Sollte die Kritik nicht umgesetzt werden, könnten die Fälle vor dem Europäischen Gerichtshof landen. Bei einer Verurteilung müsste Österreich mit Strafzahlungen rechnen – geschehen ist das bisher allerdings noch nie. (Nora Laufer, Jakob Pflügl, 25.6.2021)