Kein Achtelfinalist ist so eindeutig Außenseiter wie Österreich gegen Italien. Selbst der Schweiz werden gegen Frankreich bessere Chancen eingeräumt. Aber der gelernte, euphoriewillige Österreichfan weiß spätestens seit Montag vom bevorstehenden Europameistertitel – also muss Italien das erste Opfer sein. Weil ...

• ... die Serie lügt! Geübte Sportwetter haben viele Halbweisheiten, eine davon lautet: Vorsicht vor dem Team, das zu gut aussieht! Genau das ist Italien. Unbesiegt seit 2018, das klingt furchterregend. Die Gegner in dieser Zeit? Fast alle aus den Preisklassen Finnland bis San Marino. Einzig die Niederlande, Polen und jüngst die Schweiz stechen heraus.
• ... Italien uns unterschätzt! Die Serie lädt zur Fahrlässigkeit ein. Trotz aller Beteuerungen, Österreich werde doch ernst genommen, kann man sich in Roberto Mancinis Taktikbesprechung hineindenken: "Unser hohes Pressing hat schon dreimal funktioniert, einfach wieder so. Also dann, zu Belgien ..."
• ... Italiens Stärken ins Leere laufen! Ja, Italiens Pressing war bisher wirklich effektiv. Aber Samstagabend ist David Alaba wieder die coolste Socke diesseits von Mahatma Gandhi, Martin Hinteregger schüttelt seine Diagonalraketen aus dem Fußgelenk, und Aleksandar Dragović macht … keine Fehler.
• ... es keinen Seniorenrabatt gibt! Italiens Innenverteidiger Leonardo Bonucci und Francesco Acerbi – er dürfte Giorgio Chiellini ersetzen – sind ehrenwerte Männer. Das sind sie aber seit insgesamt 67 Jahren. Wenn da in der 75. Minute ein frisch eingewechselter Karim Onisiwo vorbeiflitzt – gute Nacht.
• ... es Zeit ist! Meine Ururgroßeltern hatten das Wunderteam, meine Großeltern hatten den Wembley-Toni, meine Eltern Córdoba. Und ich? Das 4:1 in Schweden? Eine Quali-Partie, die letztlich nur das Präludium zum Fiasko von Frankreich war? Das 1:0 gegen unterirdische Ukrainer? Österreichs Fußball schuldet meiner Generation einen großen Abend. Also her damit. (Martin Schauhuber, 26.6.2021)