Die Aufsicht für Finanzdienstleistungen Bafin ist dem deutschen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) unterstellt. Nicht nur sie hätte besser hinsehen müssen, auch der Minister, klagen die Abgeordneten.

Foto: Imago

Berlin – Es waren keine schönen Stunden, die der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Freitagnachmittag im Plenum des Deutschen Bundestags erlebte. Zunächst musste er sich von den Linken anhören, dass die Regierung Großkonzerne nicht ausreichend besteuere.

Doch richtig unangenehm wurde es für den SPD-Kanzlerkandidaten dann beim Tagesordnungspunkt 40 in dieser letzten Sitzungswoche vor der Bundestagswahl am 26. September. "Bericht 3. UA Wirecard" lautete dieser. Fast genau ein Jahr nach der spektakulären Pleite des ehemaligen Dax-Konzerns debattierte der Bundestag den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses und die Frage, wer die politische Schuld daran trage.

Scholz selbst sprach nicht, er durfte nur zuhören, wie die Abgeordneten über ihn zu Gericht saßen. Denn alle, außer den Vertreterinnen und Vertretern der SPD, sind sich einig: Der Finanzminister hat Mitschuld an dem Debakel.

"Staatsversagen"

"Es ist schändlich gegenüber den Opfern. Am Ende steht ein Verlust von 20 Milliarden Euro bei den Anlegern", sagt der Ausschussvorsitzende Kay Gottschalk (AfD). Er spricht von einem "Staatsversagen auf allen Ebenen", von einem weitverzweigten Sicherheitsnetz, das "vollkommen versagt hat".

"Herr Scholz, treten Sie zurück und schlagen Sie es sich aus dem Kopf, Kanzler von Deutschland zu werden", spricht er Scholz, der auf der Regierungsbank sitzt, persönlich an. Doch der denkt nicht daran. Er hat während seiner Befragung im Ausschuss klargemacht, dass er nichts von den Machenschaften bei Wirecard gewusst habe.

"Nicht einmal ein Staatssekretär musste zurücktreten", klagt Gottschalk. In der Tat hat der Skandal keine politischen Opfer auf der höchsten Ebene gefordert, kein Regierungsmitglied wich vorzeitig.

Doch über das Geschehen stürzten dennoch einige namhafte Personen. Gehen mussten der Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), Felix Hufeld, und seine Stellvertreterin Elisabeth Rögele ebenso wie der Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas, Ralf Bose. Diese ist dem Wirtschaftsministerium unterstellt, die Bafin dem Finanzministerium.

Viele Rücktritte

Zurückgetreten ist auch der Deutschland-Chef der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY), Hubert Barth. Sein Amt aufgegeben hat zudem Edgar Ernst, der Präsident der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR).

Erbost über Scholz ist auch der Unionsobmann im Ausschuss, Matthias Hauer (CDU), wenngleich die Union nicht den Rücktritt des Ministers fordert. So viel Zusammenhalt muss in den letzten Wochen dieser großen Koalition noch sein.

Doch auch Hauer geht Scholz persönlich an und konstatiert ein "eklatantes Versagen der Bafin". Diese habe Dan McCrum angezeigt, jenen Journalisten der Financial Times, der schon vor Jahren auf massive Ungereimtheiten bei Wirecard hingewiesen hatte. Und die Bafin hatte im Februar 2019 ein Leerverkaufsverbot auf die Aktien von Wirecard erlassen. Das Untersagen von Wetten auf fallende Kurse werteten viele (Klein-)Anleger als Gütesiegel für die Wirecard-Aktie und stiegen ein.

"Wo war sie denn, die Rechts- und Fachaufsicht von Ihnen? Sie wollen von all dem nichts mitbekommen haben? Ist es nicht der Job des Finanzministers?", fragt Hauer Scholz und kritisiert, dass es bis heute keine Entschuldigung von Scholz bei den geprellten Anlegern und den entlassenen Mitarbeiter von Wirecard zu vernehmen war.

Schuld gegenüber Opfern

Auch er kommt noch einmal auf die Staatssekretäre in Scholz’ Ministerium zu sprechen. Sechs gebe es, fünf hätten in den Ausschuss gemusst, keiner sei zurückgetreten.

Ins gleiche Horn stößt Lisa Paus von den Grünen. "Wir schulden es allen Opfern von Wirecad, dass wir Konsequenzen ziehen." Das sei aber nur möglich, wenn "die Verantwortlichen in der Regierung selbst eine Verantwortungskultur" an den Tag legten. Paus: "Es war Olaf Scholz nicht gegeben."

Fabio de Masi von der Linken will auch Kanzlerin Angela Merkel nicht so einfach davonkommen lassen. Es sei "ein fatales Signal" gewesen, dass sie sich im Herbst 2019 bei ihrem Besuch in China für Wirecard eingesetzt habe.

De Masi hat aber auch noch eine Botschaft an AfD-Mann Gottschalk. Man solle schon wissen, "wes Geistes Kind" Ex-Wirecard-Chef Markus Braun und sein ehemaliger Finanzvorstand Jan Marsalek seien. Die beiden Österreicher hätten "enge Freunde" bei der FP, also der "Schwesterpartei" der AfD.

Das empört Gottschalk, er meldet sich extra mit einer Zwischenbemerkung und fordert, zur Kenntnis zu nehmen, dass die beiden im Dunstkreis der VP gewesen seien und "überhaupt nichts mit der FP zu tun haben". (Birgit Baumann aus Berlin, 25.6.2021)