SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner beim Parteitag am Samstag.

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Nach dem Luftsprung vom letzten Mal ist Pamela Rendi-Wagner hart gelandet: Nur drei Viertel der Genossen wollten sie beim Parteitag am Samstag als SPÖ-Chefin wiederwählen. Da weiß man gar nicht, bei welchem negativen Superlativ man anfangen soll. Die 50-jährige hat nicht nur das schlechteste Ergebnis bei einer sozialdemokratischen Vorsitzwahl ohne Gegenkandidaten aller Zeiten eingefahren, sondern angesichts ihrer 97,8 Prozent beim Parteitag vor drei Jahren auch einen beispiellosen Absturz hingelegt.

Selbst im Vergleich zu den 71 Prozent bei der Mitgliederbefragung sieht Rendi-Wagner schlecht aus. Denn anders als im Vorjahr hatten diesmal der mächtige Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und andere sozialdemokratische Länderchefs öffentlich für sie geworben. Da gab es sicher auch Delegierte, die in erster Linie um des lieben Friedens willen pro Titelverteidigerin gestimmt haben. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Dunkelziffer der Unzufriedenen noch um einiges höher ist.

Keine strategische Schwarmintelligenz

Das Misstrauensvotum zu einem Zeitpunkt, als eigentlich die Kanzlerpartei ÖVP in der Krise steckt, mag nicht von strategischer Schwarmintelligenz zeugen. Obwohl keine Alternative in Sicht ist, wird die quälende Führungsdebatte nun wieder hochkochen. Doch dieser Vorwurf ist allenfalls an etwaige heuchlerische Landesvorsitzende zu richten, falls diese entgegen ihren Beteuerungen hinterrücks gegen Rendi-Wagner gehusst haben. Die Basisvertreter hingegen müssen sich nicht den Kopf der Chefetage zerbrechen. Hat sich Unmut angestaut, ist der Parteitag der geeignete Ort für ein Zeichen – sonst könnte die SPÖ gleich eine Werbeagentur mit der Abwicklung beauftragen.

So rätselhaft sind die Hintergründe der Dissidenz ja auch nicht. Wer unter Zusicherung der Anonymität in die Partei hineinhört, der stößt auf breit gefächerte Kritik. Das Potpourri der Vorwürfe reicht von mangelnder Kommunikation über ungelenke Auftritte bis zu Beratern, die aus der Zeit des von einem Parteiaufstand demontierten Werner Faymanns stammen. Über allem aber steht tiefer Zweifel, dass das Team an der Spitze das strategische Geschick hat, durch klug gesetzten Botschaften die türkisen PR-Profis in die Enge zu treiben. Offensichtlich schließen sich viele jenem harten Urteil an, das die renommierte Journalistin Anneliese Rohrer über Rendi-Wagner gefällt hat: "Sie kann Politik nicht."

Unbefriedigender Aufschwung

Aber belegen die jüngsten Umfragen nicht das Gegenteil? Ja, der Zuspruch zur SPÖ ist gestiegen, doch da kann man das Glas auch halb leer sehen. Angesichts der misslichen Lage der ÖVP, die Kanzler & Co. in den Vertrauensrankings abstürzen ließ, drängt sich die Frage auf, ob der rote Aufschwung nicht noch viel massiver ausfallen könnte. Von der kritischen Größe, die den Weg in eine Koalition ohne türkise Beteiligung ermöglichen würde, sind die Sozialdemokraten weit entfernt.

Klar, dass Rendi-Wagner erst einmal versprochen hat, weiterzukämpfen – mit einer Kurzschlussreaktion wäre niemandem gedient. Doch bei allen Steherqualitäten: Das Ergebnis vom Samstag ist alles andere als eine Empfehlung, die amtierende Chefin als Spitzenkandidatin für die nächste Nationalratswahl vorzusehen. Rendi-Wagner muss sich selbst die Frage stellen, ob der Partei nicht besser gedient wäre, in einer geordneten Übergabe eine Alternative für die Spitze aufzubauen. Wem es in den eigenen Reihen an Vertrauen fehlt, der kann die SPÖ schwer in eine erfolgreiche Wahl führen. (Gerald John, 27.6.2021)