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Wenn der Strom aus Kern- oder Kohlekraftwerken importiert wird, sieht es mit der Ökobilanz des E-Autos plötzlich nicht mehr so gut aus.

Foto: dpa/Arne Dedert

Ich fordere den sofortigen Umstieg auf den Elektroantrieb. Nicht in zehn, nicht in fünf Jahren, nein, am besten gleich. Bei Rasenmähern! Überall, wo ein Stückchen Rasen grünt, nerven sie wieder im Sommer, die lauten Zweitakter. Ein Wechsel zu Batteriegetriebenen, und das lästige Lärmproblem wäre gelöst. Auch autonom fahrende Rasenroboter funktionieren einwandfrei und schrecken nicht einmal Haustiere.

Unaufhaltbarer Umstieg

Wenn das in der großen Welt vor dem Gartenzaun auch so einfach wäre mit der E-Mobilität! Dennoch, der Umstieg auf E-Autos ist nun unaufhaltbar. Selbst das Zentralorgan der deutschen Autofahrer, die Bild-Zeitung, titelte letzten Mittwoch: "Schluss mit Reichweiten-Angst! E-Auto ist, wie Benziner fahren – nur mit Strom". Das verdanken wir einer effektiven Regelpolitik der EU. Schon vor einigen Jahren wurden CO2-Grenzwerte für die Autoindustrie festgelegt und Strafzahlungen mit der Nichteinhaltung verbunden. Auch dem Dieselskandal sei Dank!

Doch bei der bevorstehenden Mobilitätswende liegt der Teufel im Detail. Da wäre einmal die Herstellung der Batterien, die neben Lithium Unmengen an seltenen Erden verbrauchen, deren Abbau unter ökologisch bedenklichen Bedingungen passiert. Zumindest in Bezug auf Lebensdauer und Recycling der Speicher ist schon viel geschehen. Aber all das ist nichts im Vergleich zur Frage, woher der Strom für Herstellung und Betrieb der E-Autos in Zukunft kommen soll.

Rückkehr der Lebensqualität

Schon jetzt bringt jede neue KV-Leitung die Anrainer auf die Barrikaden und jeden Planer um seine Nerven. Kraftwerksprojekte sind hierzulande ebenso schwer umzusetzen. Wenn der Strom aus Kern- oder Kohlekraftwerken importiert wird, sieht es mit der Ökobilanz des E-Autos plötzlich nicht mehr so gut aus. Ohne eine Energiewende macht Elektromobilität keinen Sinn. Letztere bietet eine enorme Chance: Jedes Hausdach hat das Potenzial, den Autobesitzer autark zu machen und Geld zu sparen. Wenn Kleinerzeuger erst einmal intelligent vernetzt sind, wird das E-Auto zum Speicher. Nicht idealistischer Verzicht, sondern echte ökonomische Anreize bringen die Leute zum Klimaschutz. In den Städten kehrt vor allem Lebensqualität zurück; stellen Sie sich den Wiener Gürtel ohne Verkehrslärm oder Graz ohne Feinstaub und Ozonbelastung vor.

Doch den Fetisch Verbrenner einfach mit dem Fetisch E-Auto zu ersetzen greift zu kurz. Es bleibt absurd, dass wir ein bis zwei Tonnen Metall in Bewegung setzen müssen, um durchschnittlich 80 Kilo Mensch durch die Gegend zu chauffieren. Der Wechsel zum E-Auto löst nichts an diesem Dilemma. Differenzierte und regional angepasste Mobilitätslösungen sind gefragt.

Luft nach oben

Innovative Konzepte gibt es längst, und auch beim Radverkehr ist noch Luft nach oben. Mikrosysteme im öffentlichen Verkehr folgen keinem fixen Fahrplan oder Haltestellen, sondern bieten ein bedarfsgesteuertes Angebot. Digitale Technologien helfen, Fahrten zu bündeln bei gleichzeitig individualisiertem Service. Damit wird Mobilität auch inklusiver, weil es jene ohne Möglichkeit auf ein Auto, wie etwa junge und ältere Menschen, einbezieht. Die Summe aus vielen unterschiedlichen, kombinierbaren Lösungen wird uns weiterbringen. Was ist uns wichtiger, die Aufrechterhaltung des Autokults oder der Zugang zu Mobilität für alle? (Philippe Narval, 28.6.2021)