Das gesellschaftliche Rollenbild, dass Frauen einen Beruf wählen müssen, der gut mit der Familie vereinbar ist, spiegelt sich auch in der Anwaltschaft wider.

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"Die Anwaltschaft ist kein Gentlemen’s Club mehr", sagt Marcella Prunbauer-Glaser, Vizepräsidentin des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages. Gemeinsam mit weiteren Standesvertreterinnen diskutierte sie im Rahmen des diesjährigen Anwaltstages über die Zukunft von Frauen in der Branche. Denn: Es gebe immer noch klassische Vorurteile gegenüber Anwältinnen, darin waren sich die Diskussionsteilnehmerinnen einig.

"Hat leicht der Herr Doktor keine Zeit? Kennen Sie sich da wirklich aus?", bekam etwa Rechtsanwältin Elisa Ozegovic von einem Mandanten zu hören. Ähnliches kann auch Vizepräsidentin Prunbauer-Glaser berichten. Mit "Oh je, die Frau Doktor kommt" begrüßte sie ein neuer Klient zu Beginn ihrer Karriere. "Nachdem ich das Verfahren gewonnen hatte, wollte er aber nur noch zu mir", erzählte sie schmunzelnd.

Laut Prunbauer-Glaser spiegelt sich das gesellschaftliche Rollenbild, dass Frauen einen Beruf wählen müssen, der gut mit der Familie vereinbar ist, auch in der Anwaltschaft wider. Das Thema Kind und Familie betreffe allerdings nicht nur Frauen. "Es ist ein Thema für beide Partner", sagt die Anwältin. "Kanzleien werden in Zukunft eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen müssen, um qualifizierte Leute halten zu können."

Die Justiz sei in den letzten Jahrzehnten mit gutem Beispiel vorangegangen, findet Prunbauer-Glaser. "Als Frauen dort allmählich auch in hohe Positionen aufstiegen, war das für mich motivierend. Ich habe mir gedacht: Warum geht das nicht auch in der Rechtsanwaltschaft?"

Ein Viertel Anwältinnen

Bei Richterinnen und Richtern liegt der Frauenanteil mittlerweile bei über 50 Prozent. In der Anwaltschaft kann davon noch keine Rede sein. Aktuell sind rund 25 Prozent der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte weiblich, allerdings ist ein stark positiver Trend spürbar. Unter den Anwärterinnen und Anwärtern ist das Geschlechterverhältnis mittlerweile ausgeglichen.

Um den Beruf für Frauen attraktiver zu machen, hat die Kammer eine Reform der Rechtsanwaltsordnung vorgeschlagen, die gemeinsam mit dem Justizministerium erarbeitet wird. Aktuell machten viele Kolleginnen die Anwaltsprüfung und ließen sich auch in die Anwaltsliste eintragen, berichtet Armenak Utudjian, ebenfalls Vizepräsident des Rechtsanwaltskammertages.

Im Fall einer Schwangerschaft legten sie ihre Mitgliedschaft allerdings häufig zurück, um die hohen Beiträge nicht weiter bezahlen zu müssen. Dadurch würden sie auch Versicherungsmonate bei der Kammer verlieren.

Offenbar sei der Weg zurück oft schwierig, sagt Utudjian. "Wir wollen daher ein System etablieren, das es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie Anwärterinnen und Anwärtern erlaubt, die Mitgliedschaft für bis zu zwei Jahre ruhend zu stellen."

Dabei soll es auch die Möglichkeit geben, weiterhin verminderte Beiträge für die anwaltliche Versorgungseinrichtung zu bezahlen, um weniger Versicherungsmonate zu verlieren. Nach Ende der Ruhendstellung werde man automatisch wieder vollwertiges Mitglied. Eine gesetzliche Umsetzung ist bereits mit Ende 2021 geplant. (Jakob Pflügl, 28.6.2021)