Das Publikumsinteresse am "Impf-Event" beim Wiener Austria Center hielt sich Sonntagnachmittag in überschaubaren Rahmen.

Foto: Christian Fischer

Wien – Gut, vielleicht hat man als 48 Jahre alter, weißer Mann eine andere Vorstellung von "Party" als die jungen Menschen von heute. Oder die Stadt Wien. Die organisierte nämlich von Freitag bis Sonntag vor dem Austria Center in Wien-Donaustadt sogenannte "Impf-Events" mit Livemusik. Sonntagnachmittag war der Andrang zur städtischen "Impfparty" durchaus überschaubar, wie ein Lokalaugenschein zeigt.

Ab 15 Uhr sollte "Flo Gruber" die jungen Impfwilligen unterhalten, um 15.17 Uhr spielte er ein Lied und legte dann mangels Zuhörerschaft wieder eine Pause ein. Der Unterschied zwischen Tag und Nacht ist aber einer wie – nun ja – zwischen Tag und Nacht, verraten zwei bei der Impfstraße tätige Securitys: "Ab 17.30 Uhr kommen dann schon viele zum Zuhören." Das seien aber primär Jugendliche und Twens aus den umliegenden Wohnblöcken und nicht Menschen, die auf die Impfung warten oder gerade eine erhalten haben.

Fragt man Passanten, die nach ihrer Injektion aus dem Glasfoyer zurück zur U-Bahn oder zu ihren Autos streben, erfährt man, dass die wenigsten von der angebotenen Livemusik wussten. Die unter 30-Jährigen sind einfach froh, überhaupt einen der mehr als 35.000 Impftermine für ihre Altersgruppe ergattert zu haben. Laut Informationen der Stadt waren Ende der Vorwoche erst ein gutes Drittel der 20- bis 29-Jährigen und lediglich 15 Prozent der Teenager zwischen 16 und 19 immunisiert.

Zwei Drittel impfwillig

Die Idee der Stadt, durch Veranstaltungen Aufmerksamkeit auf die Impfungen zu lenken, ist aber grundsätzlich keine schlechte, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. Zwei Drittel der Bevölkerung werden sich aus heutiger Sicht gegen Covid-19 impfen lassen oder haben dies bereits getan. Das geht aus dem für APA und ATV erstellten Österreich-Trend von Peter Hajek hervor. Hajek betont, dass für das Erreichen einer Impfquote von 80 Prozent – die nicht zuletzt wegen der Delta-Variante als Ziel ausgegeben wurde – die Kampagne mit unverminderter Kraft fortgesetzt werden muss.

Bei Vergleichen mit zurückliegenden Österreich-Trends ist zu sehen, dass die Impfbereitschaft zwar kontinuierlich gestiegen ist, aber eben noch nicht in ausreichendem Maß. Wenig verwunderlich ist die Impfskepsis unter FPÖ-Wählern nach wie vor am größten. Nur ein Drittel von ihnen lässt sich sicher impfen oder hat dies bereits getan. 55 Prozent hingegen halten es für sehr unwahrscheinlich, dass sie sich gegen Covid-19 impfen lassen würden, wobei das Gros dies überhaupt kategorisch ausschließt. Am höchsten ist die Impfbereitschaft bei SPÖ-und Grün-Wählern, gefolgt von ÖVP- und Neos-Sympathisanten.

Ob die Impfbereitschaft allerdings angesichts der aktuellen Infektionszahlen gesteigert werden kann, bleibt eine spannende Frage. 70 Neuinfektionen mit dem Covid-Erreger Sars-CoV-2 sind österreichweit von Samstag- auf Sonntagnachmittag verzeichnet worden, teilten Innen- und Gesundheitsministerium am Sonntag mit.

Damit hat sich die Zahl der täglichen neuen Fälle in sieben Tagen fast halbiert – am Sonntag vor einer Woche waren noch 131 Neuinfektionen binnen 24 Stunden verzeichnet worden. Der Schnitt der vergangenen sieben Tage liegt bei 98, die Sieben-Tage-Inzidenz ist mittlerweile auf 7,7 Fälle je 100.000 Einwohner gesunken.

Auch die Situation in den Krankenhäusern hat sich weiter deutlich entspannt. Lagen vor einer Woche noch 251 Patienten mit Covid-19 im Spital, waren es am Sonntag 187. Auf Intensivstationen mussten 62 Corona-Patienten betreut werden, um 22 weniger als in der Vorwoche. In den vergangenen sieben Tagen wurden insgesamt 20 Todesfälle registriert.

Warnung vor Delta

Trotz dieser insgesamt niedrigen Infektionszahlen gewinnt der Anteil der erstmals in Indien nachgewiesenen Delta-Variante in Österreich an Boden. Mit Blick in Richtung Herbst müsse man alles tun, um die Infektionen mit der ansteckenderen Variante niedrig zu halten und das "Wettrennen mit der Impfung zu gewinnen", ist der Molekularbiologe Ulrich Elling vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) überzeugt. Die Testpflicht sollte daher für alle, die noch keine Zweitimpfung haben, aufrecht bleiben.

In der Vorwoche lag der Delta-Anteil unter den Neuinfektionen bei rund 25 Prozent, die ansteckendere Variante könnte schon in den nächsten Wochen dominant werden, sagte Elling zur Austria Presse Agentur. Auch eine Diskussion um eine Impfpflicht könne man mit Blick über den Sommer hinaus führen, meint der Wissenschafter. (Michael Möseneder, 27.6.2021)