Kasper Dolberg ersetzte den verletzten Yussuf Poulsen bei den Dänen. Besser als der 23-jährige Stürmer von OGC Nizza kann man eine Chance nicht nützen.

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"Wir haben eine sehr gute Kasper-Truppe", sagte Trainer Kasper Hjulmand und fokussierte lachend auf Doppeltorschütze Kasper Dolberg, den unwahrscheinlichen Helden eines Amsterdamer Abends ganz in Rot und Weiß. "Einer von denen sitzt direkt neben mir, der andere steht im Tor. Wir greifen am Samstag mit allen Kaspern, die wir haben, wieder an." Dann geht es in Baku gegen die Niederlande oder Tschechien um einen Platz im Halbfinale.

Eriksens erste Heimstätte

Wer hätte das gedacht, nach der psychischen Belastung, die das Team nach dem Zusammenbruch von Christian Eriksen im ersten Spiel zu verkraften hatte. "Es ist schwer zu verstehen, dass das hier Realität ist", sagte Hjulmand nach dem 4:0 (1:0) gegen nur zu Beginn satisfaktionsfähige Waliser, "es ist verrückt. Ich weiß, dass Ajax Amsterdam Christians erste Heimat außerhalb von Dänemark war, dass er hier sein erstes Spiel mit 16 gemacht hat. Er ist bei uns."

Mit 10.000 nicht nur freudetrunkenen Fans feierten die Dänen noch zwanzig Minuten nach dem Abpfiff, immer und immer wieder. Dann stellten sich alle zum Gemeinschaftsfoto vor ihrem Block auf, mit sämtlichen Betreuern, Ärztinnen, Physiotherapeuten. Es war ein Zeichen: Wir sind eins. Wir sind da. Sie sangen ihren Song der WM 1986, der keiner Übersetzung bedarf: "Vi er røde, vi er hvide, vi står sammen side om side."

Fast zu viel Kitsch

Hjulmand packten die Gefühle. "Als Christian kollabierte, hat sich alles verändert", sagte der 49-Jährige aus Aalborg. "Ich habe gespürt, dass wir plötzlich in einer ganz anderen Situation waren. Wir brauchten die Liebe und die Unterstützung, denn sie hat uns Flügel verliehen."

Auf diesen Flügeln schwebt Dänemark durch Europa. Dass eine frühe Umstellung auf das niederländische 4-3-3 den Sieg brachte, durch einen Spieler, der zwischen 2016 und 2019 das Ajax-Trikot trug, im früheren Wohnzimmer Eriksens, war fast zu viel Kitsch. "Als wir zum Stadion fuhren, fühlte ich, dass es sehr besonders ist für mich. Heute fühlt sich alles richtig an. Ich habe es genossen", sagte Dolberg.

Die Frage nach einem möglichen Sensationstitel 29 Jahre nach der EM 1992 lockt Hjulmand nicht aus der Reserve: "Eines nach dem anderen. Wir glauben an uns, an die Mannschaft, an unsere Qualität. Aber es gibt keinen Grund, so weit zu denken." Er könne "keine Ergebnisse versprechen, aber ich kann versprechen, dass wir kämpfen".

Die drei Kasper gehen voran: Hjulmand auf der Bank, Schmeichel im Tor, Dolberg im Sturm. Oder auch nicht? Der 23-Jährige spielte nur, weil Yussuf Poulsen Probleme mit der Gesäßmuskulatur hatte. Andere mögen bessere Einzelspieler haben – Dänemark hat vielleicht das beste Team. "Wir werden uns sammeln", sagte Hjulmand. "Und am Samstag angreifen."

Fast zu viele Fehler

Begreiflicherweise enttäuscht waren die Waliser, die vor fünf Jahren bei ihrer EM-Premiere sensationell erst im Halbfinale gescheitert waren. Der erste Frust entlud sich im Wüten gegen Schiedsrichter Daniel Siebert. Der Deutsche hatte bei 0:0 ein Handspiel des dänischen Kapitäns Simon Kjær im Strafraum übersehen. Dem zweiten, entscheidenden Tor der Dänen war ein klares Foul am walisischen Stoßstürmer Kieffer Moore vorausgegangen. Und der für den Ausgang des Spiels allerdings bedeutungslose Ausschluss des Walisers Harry Wilson war ein schlechter Witz.

Nachdem Gareth Bale im Bemühen gescheitert war, durch Gesten und Schimpftiraden selbst Rot zu sehen, stellte sich der insgesamt enttäuschende Kapitän der Drachen den Tatsachen. "Es ist enttäuschend. Wir haben eine Chance verpasst, aber ich kann den Einsatz nicht bemängeln, und das ist das Mindeste, ich bin stolz auf sie."

Folgerichtig wird der einst teuerste Fußballer der Welt im Team weitermachen. "Ich werde bis zu dem Tag für Wales spielen, an dem ich aufhöre, Fußball zu spielen", sagte der 31-Jährige. Ob Bale bei Tottenham bleibt oder der Leihvertrag von Real Madrid endet, ist offen. Allerdings könnte der Trainerwechsel von Zinédine Zidane zu Carlo Ancelotti beim neuen Klub von David Alaba eine Rolle spielen. 2014 gewann Bale unter Ancelotti die Champions League. (sid, lü, 27.6.2021)