"Future Challenge"-Aktion der "Wiener Zeitung" aus dem Frühjahr 2021, noch nicht in eigener Sache.

Foto: fid/Illu: Wiener Zeitung

Wien – Walter Hämmerle, Chefredakteur der "Wiener Zeitung", hat am Montag den Forschungsverbund Cognion von Christian Helmenstein als Interessenten für eine strategische Partnerschaft präsentiert. Helmenstein ist auch Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV), die aber nichts mit dem Angebot zu tun habe, sagt er. Hämmerle versucht die republikeigene "Wiener Zeitung" als Tageszeitung fortzuführen – wenn wie geplant Ende 2022 die Pflichtinserate von Unternehmen wegfallen, die derzeit den Großteil der Einnahmen ausmachen.

Ziel: Fortbestand als Tageszeitung

Helmenstein schließt eine Beteiligung an der Wiener Zeitung GmbH im Rahmen der Kooperation nicht aus. Konkrete Vorstellungen und Größenordnungen könne er nicht nennen. Das Bundeskanzleramt habe er über sein Interesse und seine Ideen vorige Woche informiert. Dem Kanzleramt habe man einen Letter of Intent vorgelegt inklusive "Anbotsabsicht".

Nächster Schritt sei eine Due-Diligence-Prüfung des Unternehmens, um auszuloten, was wirtschaftlich und vor allem auch rechtlich möglich sei.

Ziel der Bemühungen sei der Fortbestand der "Wiener Zeitung" als Tageszeitung, betonten Chefredakteur Hämmerle wie Helmenstein am Montag vor Journalisten. Die "Wiener Zeitung" gilt als älteste noch täglich erscheinende Zeitung der Welt.

Mutter ist Tochter – und umgekehrt

Christian Helmenstein hat den Forschungsverbund Cognion als Spin-off des Instituts für Höhere Studien (IHS) gegründet, er ist der einzige persönliche Gesellschafter in einer etwas eigenen Firmenkonstruktion. Helmenstein hält 50 Prozent an der Cognion Forschungsbeteiligungs GmbH, die andere Hälfte die Firma Economica* GmbH (eine der Forschungsfirmen aus dem Cognion-Verbund). Die Economica* wiederum gehört laut Firmenbuch zu 74,8 Prozent der Cognion Forschungsbeteiligungs GmbH und zu 25,2 Prozent Helmenstein persönlich. Helmenstein erklärt die "etwas ungewöhnliche Konstruktion" auf Anfrage mit Unabhängigkeit für den Forschungsverbund. Im Verbund gebe es auch gemeinnützige Vereine. Cognion strebe nicht nach Gewinnmaximierung, sondern "Erkenntnismaximierung"* und, Nachsatz, Kapitalerhalt.

"Mit IV nichts zu tun"

Mit der Industriellenvereinigung habe die geplante Partnerschaft mit der "Wiener Zeitung" "nichts zu tun", betont Helmenstein. Der Forschungsverbund finanziere sich rein aus Auftragsforschung. Er habe mehr als 100 Unternehmen, aber auch Interessenvertretungen wie die Wirtschaftskammer und die Republik Österreich auf der Kundenliste. Forschungsschwerpunkte seien etwa der ökonomische Fußabdruck; zudem Innovationsforschung, Gesundheitsforschung, Markt für freie Berufe, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Gemeinden.

Helmenstein verwies auf eine Patentdatenbank mit mehr als 120 Millionen Dokumenten und eine Markendatenbank, für deren Nutzung und Analyse semantische Algorithmen entwickelt wurden. Daten und Datenanalyse sind auch ein wesentliches Interesse an der Partnerschaft mit der "Wiener Zeitung".

Daten – Firmendaten, öffentliche Aufträge, Ausschreibungen gibt es etwa bei der Wiener Zeitung GmbH, aber auch ein Archiv über gut drei Jahrhunderte– sind offenkundig ein zentrales Interesse für die Partnerschaft. "Wir wollen nicht mit Daten handeln", betont Helmenstein, es gehe um Datenanalytik.

"Die Kooperation ist nicht darauf angelegt, anderen Medien Konkurrenz zu machen", betont Helmenstein. Aber Anzeigen, Leserbeiträge, Förderungen würden beim auszuarbeitenden Geschäftsmodell eine Rolle spielen. Im Anzeigengeschäft hält sich die "Wiener Zeitung" bisher zurück – auch mit Blick auf die öffentliche Eigentümerschaft. In Vermarktung und Marketing und Vertrieb gebe es noch Luft nach oben, sagt Hämmerle.

Public Private Partnership

Der Chefökonom der Industriellenvereinigung hat ein Konzept für die Wiener Zeitung GmbH und eine strategische Partnerschaft ausgearbeitet. Es gebe die Bereitschaft für einen Kauf oder einen Anteilskauf, eine Privatisierung des Medienunternehmens im Staatsbesitz könnte aber wegen öffentlicher Aufträge schwierig werden.

Als realistischster Weg für Partnerschaften gilt nun eine Public-Private-Partnership. Die Wiener Zeitung GmbH erfüllt öffentlich-rechtliche Aufträge und erhält dafür öffentliche Gelder. Die EU-Wettbewerbsregeln schränken die Möglichkeiten öffentlicher Beihilfen ein. Eine abnehmende Anschubfinanzierung für eine private Fortführung, wie sie der Presseclub Concordia vorschlug, könnte da schwierig werden. Unterstützungen etwa für eine sozial verträgliche Restrukturierung sollen aber möglich sein.

Konzepte von Management und Kanzleramt

Der Geschäftsführer der Wiener Zeitung GmbH, Martin Fleischhacker, und das Bundeskanzleramt haben in den vergangenen Monaten ausführlich an Konzepten für eine wirtschaftlich tragfähige Zukunft des Unternehmens nach dem Ende der Pflichtinserate gearbeitet.

Tätigkeitsfelder sind dort etwa Journalistenausbildung/Lehrredaktion, Auftragsproduktion/Content-Agentur etwa für den Bund (bisher gibt es da etwa ein Europamagazin für das Kanzleramt) sowie die Funktion als zentraler Datenservice für den Bund; Kanzler Sebastian Kurz nannte das in einer Anfragebeantwortung "Schwarzes Brett der Republik".

Online, wöchentlich, monatlich

Die Konzepte der Geschäftsführung beziehungsweise des Kanzleramts als Eigentümervertreter sollen bisher aber keine Finanzierungsmöglichkeit für eine Fortführung als Tageszeitung sehen. Als realistische Varianten werden dort ein Onlinemedium beziehungsweise Online plus Wochen- oder Monatstitel genannt. (fid, 28.6.2021)