Der Mord an George Floyd löste weltweite Proteste aus – und die Untersuchung der UN.

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Genf – Es ist die wohl umfassendste Bestandsaufnahme zum Thema Rassismus gegen Menschen afrikanischer Abstammung, die die Vereinten Nationen jemals vorgelegt haben. Am Montag kommentierte UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet die Veröffentlichung des Reports mit klaren Worten: "Der Status quo ist untragbar." Sie forderte die betroffenen Staaten auf, mit dem Leugnen aufzuhören und sich der Tatsache zu stellen, dass Menschen mit schwarzer Hautfarbe in ihren Ländern benachteiligt werden. Und das ist die Mehrheit der Staaten in Europa, sowie Nord- und Lateinamerika.

Grundlegende Reformen nötig

"Systemischer Rassismus braucht eine systemische Antwort", sagt Bachelet und will damit erreichen, dass die Länder vor allem die Zusammenhänge von wirtschaftlichen und sozialen Benachteiligungen untersuchen und große Antworten finden, statt an kleinen Rädchen zu drehen.

"Der Bericht ist ziemlich bahnbrechend für die Vereinten Nationen", sagt Floriane Borel von Human Rights Watch zum STANDARD. Er stütze sich nämlich nicht nur auf offizielle Daten und Länderberichte, sondern auch auf Gespräche mit mehr als 300 Betroffenen – die meisten von ihnen afrikanischer Abstammung. Außerdem werden in dem Bericht klare Empfehlungen zu Entschädigungszahlungen im Zusammenhang mit historischer Sklaverei und aktuellen rassistischen Vergehen geäußert. "Dabei sind natürlich nicht nur die einzelnen Staaten gefordert, sondern Bachelt verlangt auch vom UN-Menschenrechtsrat, das er Mechanismen kreiert, die systemischen Rassismus bei Polizeibehörden bekämpfen", sagt Borel.

Der Bericht geht auf einen Beschluss des UN-Menschenrechtsrats nach dem gewaltsamen Tod des schwarzen Amerikaners George Floyd zurück. Floyd starb im Mai 2020 nach einer Festnahme, bei der ein Polizist mehr als neun Minuten auf dem Hals des am Boden liegenden Mannes kniete. Der Polizist wurde wegen Mordes zweiten Grades zu mehr als 22 Jahren Haft verurteilt. In zu vielen ähnlichen Fällen werde aber kaum jemand zur Rechenschaft gezogen, heißt es in dem Bericht.

Menschen an den Rand gedrängt

In vielen Ländern seien Menschen mit afrikanischen Wurzeln sozial, wirtschaftlich und politisch an den Rand gedrängt. Vor allem in Nord- und Lateinamerika und Europa lebten unverhältnismäßig viele von ihnen in Armut und hätten es schwer, grundlegende Menschenrechte wie etwa auf Bildung, Gesundheitsdienste, Arbeit, angemessenen Wohnraum und sauberes Wasser durchzusetzen.

Stereotype entstünden teils schon in der Kindheit, wenn Lehrerinnen und Lehrer Kindern mit afrikanischen Wurzeln weniger zutrauten als anderen und sie auf Bildungswege lenkten, die ihnen weniger Chancen einräumen. Wenn es um Leistung gehe, würden Schwarze oft nur in Bereichen wie Sport, Musik und Tanz erwähnt. Als herabwürdigend wird in dem Bericht eine Aussage von Ex-US-Präsident Donald Trump kritisiert, der Teilnehmer an Protesten gegen Rassismus als "kranke und geistesgestörte Anarchisten und Agitatoren" bezeichnet hatte. Es gebe in verschiedenen Ländern Wiedergutmachungsinitiativen, aber nicht genug, heißt es in dem Bericht.

Systemischer Rassismus in Österreich

Auch Barbara Liegl vom österreichischen Antirassismusverein Zara sieht in dem Bericht eine "wichtige Bestandsaufnahme". Er könne den Schwung in dieser Angelegenheit, der durch die Black-Lives-Matter-Demonstrationen entstanden war, weitertragen.

Denn auch in Österreich gebe es systemischen Rassismus. "Es ist sehr schwierig, dagegen etwas zu unternehmen, weil wir schon rassistisch aufwachsen", sagt Liegl. Aber man hoffe noch immer auf den im Regierungsprogramm verankerten Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus: "Der wird uns seit eineinhalb Jahren versprochen", sagt Liegl: Und man habe erst vor kurzem im Bericht der Europäischen Grundrechteagentur gesehen, dass in Österreich überdurchschnittlich viele schwarze Menschen von der Polizei kontrolliert werden. (bbl, APA, 28.6.2021)