Das in der Schweiz gebräuchliche Mittel dürfte auch in Österreich zur Anwendung kommen. Doch wer assistierten Suizid in Anspruch nehmen darf, ist offen.

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Der ursprüngliche Zeitplan ist längst überholt. Nichts wird es mit dem Gesetzesentwurf bis Sommer, wie ihn Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) angepeilt hatte. Selbst der Herbst scheint als Termin ehrgeizig, denn eine politische Einigung bahnt sich noch nicht einmal an. Am Montag hat das federführende Justizministerium erst nur den Endbericht des Dialogforums Sterbehilfe präsentiert – eine Argumentesammlung ohne Festlegung.

Dabei wird mit Jahresende, wie vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) verfügt, das Verbot der Hilfe zum "Selbstmord" fallen. Wenn die türkis-grüne Koalition bis dahin keine Regelung zusammenbringt: Droht dann Wildwuchs in der Praxis?

Wer ohne festgelegte Rahmenbedingungen jemandem beim Suizid helfen will, begibt sich auf dünnes Eis. Denn die Verleitung zum Suizid und die Tötung auf Verlangen bleiben auch nach dem Jahreswechsel strafbar. Weil die Abgrenzung heikel ist, riskieren Hilfswillige, unbeabsichtigt im Kriminal zu landen.

Umstrittenes Regelwerk

Dass das Regelwerk, das Klarheit schaffen soll, umstritten ist, lässt sich im Bericht zum an vier Tagen im April abgehalten Dialogforum nachlesen. Per Videokonferenz ließen Vertreter von Wissenschaft, Kirchen und anderen Interessengruppen Argumente aufeinanderprallen – und fanden oftmals keinen Konsens.

Dies gilt etwa für die Kernfrage, wer überhaupt Sterbehilfe in Anspruch nehmen darf. In der Diskussion zeichnete sich eine Mehrheit für eine Beschränkung auf schwerkranke Menschen ab, doch Rechtsexperten erhoben Einspruch: Dies sei nicht mit der VfGH-Entscheidung vereinbar.

Selbst nach dieser Interpretation könnten psychisch Kranke aber in vielen Fällen ausgeschlossen bleiben. Denn Konsens herrscht so weit, dass Entscheidungsfähigkeit Voraussetzung sein müsse. Eine "Autonomie beschränkende" psychische Erkrankung – etwa eine Depression – wäre also ein Hindernis.

Wer darf beim Sterben helfen?

Ebenso umstritten ist die Frage, wer Sterbehilfe leisten darf. Umfragen weisen diesbezüglich Sympathie für die Ärzte aus, doch deren Standesvertretung sieht die Liberalisierung kritisch. Gegen das Engagement von Vereinen, wie sie in der Schweiz assistierten Suizid anbieten, gibt es insofern Vorbehalte von kirchlicher Seite, als es kein verstecktes Gewinnstreben geben dürfe. Verbieten werden sich derartige Organisationen aber nicht lassen.

Weitgehende Einigkeit herrscht immerhin über das Wie: Der Akt der Sterbehilfe soll mit einem Suizidpräparat – in der Schweiz Natrium-Pentobarbital – vollzogen werden. Ob es dafür ein ärztliches Rezept oder bloß eine Verfügung braucht, ist aber schon wieder umstrittener.

Dass es davor umfassende Aufklärung braucht, ist ebenso Allgemeingut wie die Forderung nach dem Ausbau der Palliativmedizin, um todkranken Menschen eine würdevolle Alternative zum Suizid zu bieten. Allerdings ist dieser Konsens nicht viel wert, solange eine Frage offen bleibt: Wer zahlt's? (Gerald John, 29.6.2021)