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Die Enttäuschung muss eine herbe gewesen sein. Nach der Pleite der Commerzialbank Mattersburg (CBM) musste die Einlagensicherung Austria (ESA) für die Sparkunden einspringen und Guthaben bis zu 100.000 Euro entschädigen. Bankkundin F. wähnte sich unter jenen, denen das Maximum zustand – hatte sie doch ein Sparbuch mit rund 119.000 Euro.

Entschädigt wurde sie aber nur mit 26.000 Euro. Denn: Der Rest des Guthabens war von Bankmanagerin K. erfunden, zählt also zu den Fake-Geschäften, mit denen K. und Exbankchef Martin Pucher die Bilanzen um hunderte Millionen Euro aufgeblasen haben. Diese Begebenheit erschließt sich aus der Zeugenaussage eines ESA-Managers; wie sich die Kundin die wundersame Geldvermehrung ohne entsprechende Einzahlungen erklärt hat, ist nicht überliefert.

Lange Fake-Erfahrung

Sehr wohl überliefert ist, dass die Bilanzmanipulationen laut Exvorstandsmitglied K. schon viel länger liefen als ohnehin schon bekannt. "Spätestens ab 1991" habe sie in die manipulativen Bilanzvorgänge Puchers Einblick gehabt. Das sagte K. (sie und Pucher haben gestanden, bis zu einem etwaigen rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung) im März bei einer Einvernahme aus. 1991 war Pucher noch Chef einer kleinen burgenländischen Raiffeisen-Kasse, die CBM gründete er ein paar Jahre später.

Dort verfeinerten Pucher und K. ihre Methoden. Zunächst wurden laut K. Kunden erfunden, deren Namen es nicht einmal gab. 2011, als das Zinsniveau sank, habe Pucher die Idee geboren, "die Ertragslage mit unverhältnismäßig höher verzinsten fingierten Krediten und gleichzeitig günstigen Refinanzierungen (Einlagen) deutlich positiver darzustellen", das Volumen der Geschäfte sei massiv erhöht worden.

Recherche in Internet und Grundbuch

Die erfundenen Kreditkunden fanden die beiden im Grundbuch. Dort suchten sie laut K. nach Leuten vor allem aus Ostösterreich, deren Bonität (dank Liegenschaftseigentum) hoch war. Dann nahmen die Banker über ihren "alten Zugang" zu einem Buchungssystem des Sparkassensektors Einsicht in die Abfragen, die dort gestellt worden sind. Sie habe eine Liste mit potenziellen Kreditkandidaten erstellt, Pucher dann die Personen ausgewählt, die sie sich "näher anschauen" sollte, sagte K. aus.

Das tat die Frau laut ihrer Aussage im Internet, danach habe sie in einer Datenbank der Nationalbank (OeNB) geprüft, ob die auserkorene Person "schon andere, höhere Kredite bei einer anderen Bank hat". Letztlich habe Pucher entschieden, wer wie viel an Kredit bekommt, den Rest der Arbeit habe sie selbst erledigt.

Arbeitsteilung im Vorstand

Und wie kam man an die Unterschriften? Laut K. hat sie die Urkunden aus dem Grundbuch herangeschafft, auf denen die Originalunterschriften drauf sind, Pucher habe sie für den Kreditakt gefälscht. Dessen Anwalt, Norbert Wess, bestätigt diese Darstellung. K. habe, da sie sich im Gegensatz zu Pucher am Computer ausgekannt habe, die Kreditverträge erstellt, Pucher die Unterschriften "nachgemacht".

Aufgeflogen ist all das erst im Juli 2020, als die OeNB eine Vor-Ort-Prüfung durchführte und ein Whistleblower detailreiche Tipps gegeben hat. In der Folge wurde die Bank zugesperrt und ging pleite.

Vorstand durfte bleiben

Dabei hatte es schon 2015 Hinweise an FMA und WKStA von einem Whistleblower gegeben, der sich bis heute wundert, dass die den Skandal nicht zum Auffliegen gebracht haben. Die Aufsichtsbehörde FMA hat 2015 rund um Eigenkapitalmaßnahmen des Instituts Anzeige wegen Untreueverdachts bei der Staatsanwaltschaft Eisenstadt erstattet, die stellte das Verfahren aber ein. Die WKStA wiederum sah 2015 keinen Anfangsverdacht, weil die OeNB in ihrer damaligen Vor-Ort-Prüfung keine Malversationen gefunden hatte.

Und so kam es, dass auch jenes Geschäftsleiterverfahren im Sande verlief, das die FMA 2015 begonnen hatte und das mit der Abberufung des Vorstands hätte enden können. Theoretisch. (Renate Graber, 29.6.2021)