Der mächtige Baugewerkschafter Beppo Muchitsch stellt sich schützend vor Parteichefin Rendi-Wagner.

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Es ist zwar mittlerweile genug Zeit nach dem Parteitag verstrichen, Beppo Muchitsch, der mächtige Baugewerkschafter, will sich aber immer noch nicht beruhigen. Dieser Sonntag liege ihm schwer im Magen. "Diese feige Operation im Hintergrund" lasse ihm keine Ruhe.

Jene 25 Prozent der Delegierten, die Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner gestrichen hatten, würden "nicht geheim" bleiben. "Das Outing wird nicht aufzuhalten sein, und dann müssen sie vor den Vorhang und sich einer offenen Diskussion stellen. Ich behaupte, dass sich die Anstifter der Aktion selbst geschädigt haben." Den Genannten gehöre "sicher nicht die Zukunft der SPÖ, und ich will auch nicht, dass einer von ihnen die Partei führt", knurrt Muchitsch.

Bezeichnend für jene Gruppe der dunklen Rebellen sei die Haltung zur Staatsbürgerschaft. Da habe eine ganz Gruppe innerhalb der Partei an diesem Thema gearbeitet, Peter Kaiser, der Kärntner Landeshauptmann, das Ergebnis schließlich präsentiert. "Und dann wurde gemosert. Und keiner hat sich hingestellt und gesagt: Ich stehe dahinter, ich war ja auch dabei", sagt Muchitsch.

"Pam beißt das durch"

Hochachtung habe er vor der Parteivorsitzenden, sie böte anonymen Kritikern die Stirn. "Soll sie jetzt aufgeben, damit jemand aus den Reihen der 25 Prozent die Partei übernimmt? Christian Kern sagte bei seinem Abschied, die Pam beißt das durch, ihr werdet euch noch anschauen, sie ist eine Kämpferin. Er meinte es zwar auf Kurz gemünzt. Aber das gilt heute auch für die Feigen in der Partei."

Der Knittelfelder Bürgermeister Harald Bergmann war einer der wenigen, eigentlich der Einzige, der sich am Parteitag offen und kritisch zur Situation der SPÖ zu Wort gemeldet hatte. "Mir fehlen einfach die Themen, die den Leuten wirklich unter den Nägeln brennen", sagt Bergmann im Gespräch mit dem STANDARD. Er habe den Eindruck, die SPÖ konzentriere sich zu sehr auf "pseudolinke" Themen der Innenstädte.

Partei vernachlässigt das Land

Die Parteispitze vernachlässige die Probleme auf dem Land. "Gendern ist wichtig, eh klar, aber bei uns ist ganz was anderes akut. Wir haben einen extremen Ärztemangel am Land, keine Frauenärzte, keine Kinderärzte." Und, diesen Vorwurf müsse er machen, so Bergmann: Die Neos hätten den Roten das Bildungsthema weggenommen. "Es ist ja nach wie vor ein Wahnsinn, dass die Kinder mit zehn Jahren getrennt werden. Mit all den Folgen der Ausbildung." Bergmann zum Arbeitsmarkt: "Zu mir kommen täglich Betriebe, weil sie keine Mitarbeiter finden. Und das bei dieser Arbeitslosigkeit. Da muss man Lösungen finden." Bergmann wünscht eine "offene Diskussion" zu diesen Themen in seiner Partei. Seine Kritik richtet sich aber auch gegen die anonymen Kritiker. "Ständig aus der Deckung zu schießen ist leicht." Dass Rendi-Wagner von Hans Peter Doskozil ständig konterkariert worden sei, sei inakzeptabel gewesen. Sie sei zwar in der ersten Phase "sicher overcoacht gewesen", sie werde aber "zunehmend entspannter".

Wobei: Gewählt habe er sie nicht. "Als ich nach meiner kritischen Rede herunterging von der Bühne, hat sie mich nicht einmal angeschaut. Dann hab ich es mir anders überlegt." Eine Alternative sehe er trotz aller Vorbehalte nicht. "Sie wäre sicher eine weibliche Antithese zur türkisen Regierung, aber sie muss langsam beginnen, auch die Stammtische zu erobern", rät der Knittelfelder Bürgermeister.

"Anonyme Kritiker"

Bis auf Bergmann, der offen zugibt, Rendi-Wagner diesmal nicht gewählt zu haben, blieben die anderen Kritiker stumm. Führenden SPÖ-Politiker in den Bundesländern missfiel – wie Muchitsch – diese anonyme Opposition gegen Rendi-Wagner. "Es ist doch einfach letztklassig, wenn bei ihrer Rede alle applaudieren und in der Wahlkabine dann ein Streichkonzert veranstaltet wird. Das finde ich stillos", merkte steirische SPÖ-Landesparteivorsitzende Anton Lang in der Steirerkrone und Kleinen Zeitung an.

Sie stimme mit Lang in der Kritik an den Delegierten überein, sagte auch Tirols SPÖ-Vizeparteichefin und Nationalratsabgeordnete Selma Yildirim zur APA. "Diese Art war destruktiv." Der Vermittler zwischen den Lagern, der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser, will sich für eine Bewertung der Ereignisse am Parteitag noch etwas Zeit geben und diese vorerst in Kärnten diskutieren. Kaiser konnte wegen eines Todesfalles im engsten Familienkreis nicht am Parteitag teilnehmen. (Walter Müller, 28.6.2021)