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Leere in Lissabon. Die Stadt, sonst Touristenmagnet, wurde wegen Delta abgeriegelt.

Foto: AP / Armando Franca

Ein Sommer wie damals – das Motto, das Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) Ende Mai für die Corona-Lockerungen angekündigt hat, hätte als Vorzeichen gelten können. Es klingt ein bisschen nach 1950er-Jahren, Sommerfrische am Bergsee und österreichischer Heimeligkeit. Das könnte wahrer werden als zuletzt gedacht. Denn Donnerstag startet zwar der EU-weite grüne Pass, der Reisen in der Union wieder leichter ermöglichen soll – bald darauf könnte es mit der internationalen Bewegungsfreiheit aber vielleicht schon wieder vorbei sein.

Warnzeichen aus Berlin

Ein erstes Warnzeichen verlautbarte am vergangenen Freitag das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI), indem es Portugal wegen der Ausbreitung der Delta-Mutante zum Virusvariantengebiet erklärte – Reisen werden damit fast verunmöglicht, bei der Rückkehr gilt unabhängig vom Drei-G-Status eine Quarantänepflicht. Weitere Länder könnten folgen: entweder indem sie Portugal auch zum Variantengebiet erklären (immerhin gelten Entscheide des RKI vielen Staaten als Richtwert) – oder indem sie selbst zu Delta-Staaten deklariert werden. Portugal, so ist zu befürchten, könnte nur der erste Dominostein sein, der diesen Sommer fällt. Beim letzten könnte es sich im Extremfall um die Urlaubssaison selbst handeln. Deutsche Politiker jedenfalls fordern bereits jetzt, die Einreiseregeln wieder zu verschärfen.

Wie kann das alles sein, wenn doch nun der grüne Pass kommt? Das liegt vor allem daran, dass man sich in der EU alles andere als einig ist, wie man mit dem Grenzmanagement nun umgehen soll. Manche Staaten– darunter Deutschland – haben sehr früh auf die beiden Sars-CoV-2-Varianten Beta und Delta (die zuerst in Südafrika und in Indien entdeckt worden waren) reagiert und etwa Südafrika und Großbritannien bald zu Variantengebieten erklärt.

Werben um Urlauber

Andere taten das nicht. Portugal etwa freute sich stattdessen, auf der grünen Liste der britischen Regierung zu stehen, und warb intensiv um Urlauber von der Insel – später untersagte dann London selbst Reisen dorthin; das Land ist nun jenes mit der höchsten Inzidenzzahl in der EU. Berlin hatte auf eine gemeinsame Linie bei den EU-Außengrenzen gedrängt, auch Österreich hatte dies unterstützt. Doch vergeblich. Nun brauche man eben womöglich wieder Maßnahmen an Grenzen in der EU, so Berlin.

Der grüne Pass jedenfalls steht dem nicht im Wege. Er ist, anders als der Name vermuten lässt, nicht als Freifahrtschein durch Europa konzipiert. Stattdessen gibt er nur Auskunft darüber, ob Inhaberin oder Inhaber geimpft, genesen oder getestet ist. Was die einzelnen Staaten dann mit dieser Information tun, ist ihnen überlassen. Das führt zu uneinheitlichen Regeln: In Österreich etwa gilt man drei Wochen nach der ersten Dosis als "geimpft", anderswo meist erst zwei Wochen nach der zweiten. Und das ermöglicht es Ländern, im Ernstfall überhaupt wieder die Grenzen dichtzumachen. Theoretisch also könnte ein Land überhaupt alle anderen Staaten als Variantengebiete einstufen und die Einreise stoppen.

Staaten "aus Anlage B2"

Droht so ein Szenario aber wirklich? Die Regeln für die Einstufung als Variantengebiet – in Österreich heißen entsprechende Länder formell "Staaten aus Anlage B2" – sind nicht vollständig durchschaubar. Aus Sicht des deutschen Gesundheitsministeriums sind es Länder mit Varianten, die "nicht zugleich in Deutschland verbreitet auftreten und von denen anzunehmen ist, dass von ihnen ein besonderes Risiko ausgeht". In Österreich waren es bis vor kurzem nur vier Länder: Brasilien, Indien, Südafrika und das Vereinigte Königreich. Zumindest das ändert sich jetzt. Mit Stand 1. Juli finden sich auf dieser Liste, zusätzlich zu den vorher genannten, folgende Länder: Botswana, Eswatini (früher Swasiland), Lesotho, Malawi, Mosambik, Namibia, Nepal, Sambia, Simbabwe und Uruguay.

Portugal ist derzeit, anders als in der Einschätzung des deutschen RKI, aus österreichischer Sicht kein Virusvariantenstaat. Ob diese Einstufung in absehbarer Zeit kommen könnte, das wurde auch auf Nachfrage des STANDARD nicht beantwortet.

Aus dem Gesundheitsministerium heißt es: "Als Bewertungsgrundlage für die Einstufung dient ein zweistufiges Verfahren, das quantitative Daten wie 14-Tage-Inzidenz, Positivitätsrate und mehr umfasst. Dazu kommen qualitative Daten wie Botschaftsberichte und das Auftauchen neuer Varianten."

Schwierige Planung

Beim Prozess, die einzelnen Länder einzuordnen, werden Expertinnen und Experten sowie Empfehlungen der EU und anderer Institutionen wie eben des RKI eingebunden. Kehrt man aus einem Anlage-B2-Staat zurück, braucht es erstens einen negativen PCR-Test. Zudem muss man in zehntägige Quarantäne, aus der man sich frühestens nach fünf Tagen freitesten kann.

Was all das nun für die Planung von Urlaubswilligen, die eine Reise nach Portugal gebucht haben, bedeutet, könne man leider nicht sagen. Nur eine Erleichterung gibt es: Alle Reisenden, die aus den "sonstigen Staaten" kommen, also Ländern, die nicht in Anlage B2 genannt sind, dürfen ab 1. Juli, wenn sie vollimmunisiert sind, ohne Quarantäne nach Österreich einreisen.

Offen bleibt eine andere Frage: Können Staaten mit niedrigen Infektionszahlen, die aber zum großen Teil aus Fällen der Delta-Variante bestehen, nun zu Virusvariantengebieten erklärt werden? Diese Frage könnte auch für Österreich selbst eines Tages relevant werden: Hierzulande erfreut man sich schließlich geringer Infektionsraten – die allerdings dadurch getrübt wird, dass der Anteil der Delta-Variante in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen hat und zuletzt bei 25 Prozent stand. Das deutsche RKI blieb auf Anfrage des STANDARD eine Antwort vorerst schuldig.

Freilich stellt sich noch eine andere Frage: Wenn die Fälle der Delta-Variante überall steigen – wo liegt dann der Punkt, ab dem es absurd wird, sich vor einer Mutante zu schützen, die ohnehin im Land ist? (Manuel Escher, Pia Kruckenhauser, 29.6.2021)