Geht es nach Wiens Stadtchef Michael Ludwig, könnte eine Maske auch über den 22. Juli hinaus in Öffis getragen werden müssen.

Foto: APA

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ist trotz der aktuell niedrigen Infektionszahlen sowie der niedrigen Bettenbelegung auf den Covid-Intensivstationen vorsichtig. Verantwortlich dafür ist die schnelle Verbreitung der Delta-Mutation auch in Österreich. Ludwig überlegt, nicht alle geplanten Lockerungen der Bundesregierung vollinhaltlich zu übernehmen. So will er "darauf pochen, weiterhin Masken in Innenbereichen" zu tragen, wie er in einem Hintergrundgespräch sagte. Auch Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln, ob U-Bahn oder Bus, seien "sinnvoll".

Am Montagabend hat das Gesundheitsministerium die neue Verordnung veröffentlicht, die die ab Donnerstag geltenden Corona-Lockerungen präzisiert. Vieles war vorab schon bekannt, wie das Aus für die Sperrstunde oder die Quadratmeterbeschränkung im Handel sowie das Öffnen der Nachtlokale. Die Drei-G-Regel (geimpft, getestet, genesen) bleibt bestehen, in einigen Bereichen wird die FFP2-Maske durch MNS-Pflicht ausgetauscht. Montagabend wurde aber auch bekannt, dass die Maske künftig nicht nur in der Gastronomie, in Fitnessstudios oder im Kino fällt, sondern auch bei körpernahen Dienstleistungen wie Friseuren.

"Symbolhafte Schritte" in Wien

Ob Ludwig all diese Lockerungen auch für Wien mittragen wird, war vorerst nicht bekannt. Er räumte ein, dass es schwierig sei, hier einen Wiener Sonderweg zu gehen. Es werde aber "symbolhafte Schritte" geben, wie er sagte. Zuletzt hatte Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) etwa auch angedacht, den Zutritt in Clubs nur Geimpften oder Genesenen zu ermöglichen.

Ludwig kündigte für diesen Mittwoch eine Runde mit Experten an, um die Lockerungen des Bundes sowie die Verbreitung der Delta-Mutation zu besprechen. Den Beratungen wolle er "nicht vorgreifen". Zuletzt gab es in Wien – auf sehr niedrigem Niveau – den Großteil der Corona-Neuinfektionen in Österreich: Am Montag wurden österreichweit nur 63 Neuinfektionen registriert, rund 60 Prozent davon (39 neue Fälle) waren in Wien.

Ludwig bei Aus für Maskenpflicht in Öffis ab 22. Juli skeptisch

Ludwigs Skepsis rund um die Lockerungen betrifft vor allem den Plan von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), die Maskenpflicht mit dem nächsten Schritt am 22. Juli auch in Öffis und im Handel zu beenden. Bei den Wiener Linien könnte diese Lockerung nicht umgesetzt werden: Ludwig meinte, dass es "sinnvoll" sei, hier "weiter eine Maske zu tragen". Anders als Kurz rechnet Ludwig auch damit, dass es sich einbürgern werde, dass auch Menschen in Österreich an bestimmten Orten und zu bestimmten Jahreszeiten Masken tragen werden. So hätte zuletzt die Maske im Herbst/Winter als Nebeneffekt auch eine Grippewelle vollständig verhindert.

Bisher insgesamt 11.000 Corona-Fälle in Wiener Spitälern

Im Rahmen eines Hintergrundgesprächs zog Ludwig aber auch Bilanz zu den bisherigen Corona-Wellen. Von März 2020 bis Juni 2021 wurden 11.000 Corona-Fälle in den Wiener Spitälern betreut. 2.100 waren auf Intensivstationen. Im Durchschnitt wurden 373 Personen pro Tag aus Corona-Gründen behandelt.

Mit dem sogenannten medizinisch-wissenschaftlichen Fonds des Bürgermeisters (MWF) konnten seit Beginn der Pandemie mehr als 50 Forschungsprojekte rund um die Pandemie unterstützt werden. Zu Beginn war der Fonds mit einer Million Euro dotiert, später wurde dieser auf zwei Millionen Euro aufgestockt. Als bisher bekannteste Maßnahme der unterstützten Arbeiten hat sich der Wiener Gurgeltest entwickelt. Mit diesem können von der Firma Lead Horizon sowie dem Partnerlabor Lifebrain laut Ludwig bis zu 300.000 PCR-Tests pro Tag ausgewertet werden.

23 Wiener Kindergärten nehmen an Lutschertest-Studie teil

"Wien kann nur deshalb gurgeln, weil wir Geld für Forschung und Entwicklung bekommen haben", sagte Manuela Födinger, die Leiterin des Instituts für Labordiagnostik in der Klinik Favoriten. Weil sich aber herausgestellt hat, dass "Fünfjährige ein Problem mit Gurgeln" haben, wurde für die Kleinen ein "Probengewinnungssystem" entwickelt, "das auch gut schmeckt" – der sogenannte PCR-Lutscher. Diesen Test hätten die teilnehmenden Kinder einer Studie "mit Bravour absolviert".

Nun soll eine Monitoringstudie etabliert werden: In 23 Wiener Kindergärten – einer pro Bezirk – soll einmal pro Woche im August mit den PCR-Lutschern getestet werden. Ist das erfolgreich, könnte danach ein flächendeckender Einsatz in Wien erfolgen. Details gibt es dazu aber noch nicht.

Michael Binder, der medizinische Direktor des Wiener Gesundheitsverbundes (Wigev), sagte, dass in Wien neben epidemiologischen und klinischen Projekten auch Forschungsarbeiten zu Auswirkungen der Corona-Pandemie durchgeführt werden.

Infektionszahlen durch Delta werden steigen

Judith Aberle, Fachärztin für Virologie an der Med-Uni Wien, geht jedenfalls davon aus, dass die Infektionszahlen durch die Delta-Mutation auch in Österreich wieder steigen werden. "Die Mutationen bringen dem Virus Fitnessvorteile." Antikörper durch aktuelle Covid-Impfungen oder eine durchgemachte Erkrankung würden schützen, dazu sei aber ein vollständiger Impfschutz notwendig. Sie rät auch Genesenen, sich impfen zu lassen. Ob die infektiöse Delta-Variante auch gefährlicher – etwa als die britische Mutation – ist, sei durch Studien noch nicht abschließend geklärt.

Laut Stadtchef Ludwig gebe es Prognosen von Experten, die bereits Ende Juli von einem "Zwischenpeak" bei Neuinfektionen durch die Delta-Mutation in Wien ausgehen. Diese würden aktuell geprüft. (David Krutzler, 29.6.2021)