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Auf dem Weg zu einer von Robotik und digitalen Technologien geprägten Landwirtschaft: Die Forschung an Agrartechnik in Österreich soll dank einer Innovationsplattform neuen Schwung bekommen.

Foto: Reuters / Denis Balibouse

Die Kuh von heute lässt sich, sofern sie auf einem Bauernhof mit hohem Technologieeinsatz lebt, vollautomatisch von einem Roboter melken. Das hat Vorteile, sowohl für die Kuhherde als auch für den Bauern.

Als Teil eines Laufstalls, in dem sich die Tiere frei bewegen können, sucht die Kuh den Melkroboter nach Belieben mehrmals pro Tag auf. Das entspricht eher dem Verhalten der Tiere als das bisher übliche zweimalige Melken morgens und abends – auch Kälber trinken mehrmals am Tag.

Für den Bauern bedeutet der Melkroboter nicht nur Zeitersparnis, sondern auch die Möglichkeit eines datenbasierten Gesundheitsmanagements der Herde. Der Milchstrom wird konstant überwacht und auf Krankheitserreger und Qualitätsveränderungen überprüft. Die Betriebsleiter können Probleme bei jeder Kuh frühzeitig erkennen und so bei der Antibiotikagabe sparen.

Tierwohl vs. Effizienz

Ist das nun ein System, das dem Tierwohl dient oder das die Effizienzschraube noch weiter anzieht, um Produktionsmengen zu erhöhen? Die Antwort auf diese Frage ist nicht eindeutig, sie hängt von der konkreten Umsetzung des Systems ab. "Die Digitalisierung der Landwirtschaft eröffnet ungeahnte Möglichkeiten. Sie kann zum Wohl von Tieren und Natur eingesetzt werden, aber auch zu ihrem Nachteil", sagt Andreas Gronauer.

Der Agrartechnik-Experte verfolgte als Doktorand der TU München bereits Ende der 1980er-Jahre die Entwicklung des ersten Melkroboters. Heute überblickt Gronauer als Leiter des Instituts für Landtechnik der Universität für Bodenkultur in Wien mehrere Jahrzehnte der technologischen Entwicklung in der Landwirtschaft. Der Melkroboter von damals ist, betont der Experte, bereits ein Museumsstück.

In der Digitalisierung des Agrarbereichs stehen Forscher vor der Herausforderung, Lösungen zu entwickeln, die sich in die tatsächliche bäuerliche Praxis einfügen. Dazu braucht es enge Kooperationen zwischen Wissenschaft, Produktentwicklern und den Bauern selbst. Das Projekt "DiLaAg – Digitalisierungs- und Innovationslabor in den Agrarwissenschaften", das Gronauer leitet, forciert diese Zusammenarbeit.

"Wir wollen mit unserer Innovationsplattform einen Nukleus im Bereich der Digitalisierung im Agrarsektor setzen", sagt Gronauer. "Es geht um Impulse für die Forschung, aber auch um den Aufbau von Verbindungen zu einer interessierten Öffentlichkeit." Das vom Land Niederösterreich unterstützte Projekt wurde zuletzt auch vom agrar- und forstwissenschaftlichen Beirat des Ökosozialen Forums als bedeutendes Forschungsprojekt für die Landwirtschaft vorgestellt.

Transparenz für Konsumenten

Im Projekt kooperieren die Boku, die TU Wien und die Vetmed-Uni Wien mit Technologieunternehmen und landwirtschaftlichen Partnerbetrieben. Der gesamte Verarbeitungsweg der Nahrungsmittel "von der Heugabel bis zur Besteckgabel" soll im Blick behalten werden, betont Gronauer.

"In den letzten ein, zwei Generationen gab es eine Entwicklung, die Landwirtschaft und Konsumenten voneinander abgekoppelt hat. Die Gesellschaft weiß wenig über die Nöte der landwirtschaftlichen Praxis. Man weiß wenig darüber, wo das Essen genau herkommt. Auch diesem sozialen Aspekt könnte mit den Mitteln der Digitalisierung begegnet werden."

Denn die Daten, die über Kuhmilchqualität, Pflanzenwachstum und andere Aspekte der Lebensmittelverarbeitung erhoben werden, könnten nicht nur Bauern, sondern in einer separaten Aufbereitung auch Konsumenten zugänglich gemacht werden. Gronauer: "Lebenszyklusdaten, CO2-Fingerabdruck und Tierwohlevaluierungen könnten Teil einer nachvollziehbaren, transparenten Produktionsqualität werden." Damit könnte man auch den Negativbildern einer effizienzgetriebenen, industrialisierten Landwirtschaft entgegentreten.

Roboter als Unterstützung

Ein wesentliches Element von "DiLaAg" ist ein Doktoratskolleg, das Studierenden eine Vertiefung am Schnittpunkt Digitalisierung und Agrarwissenschaften ermöglicht und die schwierige Nachwuchssuche in diesem Bereich verbessern soll. Seit dem Start des Projekts wurden bereits acht Dissertationen vergeben.

Beispiel für eine Nachwuchsarbeit ist der Feldroboter Mathilda, der im Rahmen einer Masterarbeit entworfen wurde. Die Robotikplattform dient der Entwicklung verschiedener Unterstützungsprozesse für den Acker- und Gartenbau. "Mathilda soll von ihrer Garage aus jeden beliebigen Punkt in einem Feld anfahren können, um Beobachtungen – etwa zum Wachstumszustand der Pflanzen – durchzuführen", beschreibt Gronauer. Mittels Artificial-Intelligence-Algorithmen soll Unkraut bereits in einem frühen Wachstumsstadium erkannt werden. In einer Dissertation wird nun ein Hackwerkzeug für den Feldroboter entwickelt, mit dem das Unkraut auch gezielt entfernt werden kann.

Aufgeschlossene Bauern

Der Aufbau des Forschungsnetzwerkes dauert noch an. Neben den Versuchsbetrieben von Boku und Vetmed-Uni sind mittlerweile auch zwei selbstständige Agrarbetriebe mit dabei, die neue Technologien erproben. Auf die Frage, ob die Landwirte aufgeschlossen für die Digitalisierung ihrer Betriebe sind, antwortet Gronauer mit "Ja und nein".

Auf der einen Seite gebe es jene, die mit dem "Star Wars in der Landwirtschaft" nichts zu tun haben wollen. Auf der anderen Seite gebe es aber auch Bauern, die von sich aus aktiv Technologien testen wollen, die "noch nicht einmal in Alpha-Version" vorliegen und eine Reihe von Kinderkrankheiten mitbringen. "Es gibt einfach eine extrem hohe Diversität", meint der Wissenschafter.

Dass sich neue Technologien zu langsam durchsetzen, befürchtet Gronauer nicht. Er erinnert an den enorm schnellen Umstieg der Bauern auf Traktoren in der Nachkriegszeit. Bei den teuren Hightech-Geräten der Gegenwart geht nun der Trend zum Einkauf von Maschinenleistungen als Service oder hin zu einer geteilten Nutzung.

"Ich kenne eine Betriebsgemeinschaft in Niederösterreich, die sich gemeinsam vier topmoderne Traktoren gekauft hat", erzählt Gronauer. "Die rund 25 Bauern des Verbands haben sich vorgenommen, die Auslastung der Maschinen um den Faktor 50 zu erhöhen, was ökonomisch gesehen enorme Vorteile bringt – und sie sind drauf und dran, ihre Zielvorgabe zu erreichen." (Alois Pumhösel, 6.7.2021)