Bei Bildungsfragen darf es weder Polemik noch politisches Interessenspiel geben, sagt Sabrina Dorn, die Sprecherin der Elterninitiative Kinderköpfe. Das Streben nach mehr Egalität im Verteilungsschlüssel nimmt sie dem Bildungsstadtrat ab. Sie fordert aber auch mehr Transparenz und einen Diskurs auf Augenhöhe.

"Jedem Kind die Flügel heben" ist eine Kernbotschaft der Neos. Für diese Demonstrantinnen und Demonstranten am Montag in Wien ist das mit der neuen Reform jedoch nicht geglückt.
Foto: APA / Helmut Fohringer

Die Umverteilung der Stundenkontingente an den Wiener Pflichtschulen sorgt für eine polarisierende Debatte: der Bildungsstadtrat auf der einen Seite und eine zunehmende Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern, Elternvertreterinnen und -vertretern auf der anderen. Christoph Wiederkehr insistierte mehrfach medial, dass es sich bei der Neuregelung der Ressourcenverteilung um eine notwendige Reform handele und diese insgesamt zu mehr Ressourcen führe sowie besonders sozioökonomisch benachteiligte Standorte davon profitierten. Als Verliererinnen und Verlierer steigen innerstädtische Standorte mit innovativen pädagogischen Konzepten aus.

Ehrliche Absicht Egalität

Also Schmach über jene Eltern, deren privilegierte Kinder Bobo-Schulen besuchen und die nun lautstark schreien, weil der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit eben auch einen Verzicht der Reichen zugunsten der Armen mit sich zieht? Trotz der Polemik im vehementen Kampf um Partikularinteressen ist das Narrativ hier nicht so einfach. Ich kenne den Bildungsstadtrat gut genug, um ihm tatsächlich abzunehmen, dass es seine ehrliche Absicht war, mit dem neuen Verteilungsschlüssel mehr Egalität zu bewirken. Doch verstehe ich auch die Unzufriedenheit der linken Bildungseltern.


Die Krux an der Ressourcenknappheit für innovative pädagogische Konzepte geht in wesentlichen Teilen auf vorangegangene Verschlimmbesserungen am einschlägigen Bundesrecht zurück: Es begann mit massiven Einschränkungen der Schulversuche durch das Autonomiepaket unter Sonja Hammerschmid (SPÖ) und setzte sich fort mit der Aufhebung der gesetzlich festgelegten Schülerinnen- und Schülerhöchstzahl pro Klasse mit Heinz Faßmanns Pädagogikpaket. Daraus ergab sich jene legistische Konstellation, die nun in Kombination mit dem neuen Verteilungsschlüssel die Problematik mit der Finanzierbarkeit personalintensiver pädagogischer Konzepte in Wien eskalieren lässt.

"Nun haben wir noch mehr Salz in einer
bereits vorab versalzenen Suppe."

Trotzdem sollte man nie vergessen, dass man im Land schlichtweg nicht mehr verteilen kann, als einem der Bund gewährt. Vor der Einführung des neuen Schlüssels konnte man hinter dem Schleier der Intransparenz noch am Bund vorbei sein ganz eigenes Wiener bildungspolitisches Süppchen kochen, aber nun haben wir im Ergebnis noch mehr Salz in einer bereits vorab versalzenen Suppe.

"In einem Bildungssystem darf es nur Gewinner geben, niemals Verlierer! Ich mein, Entschuldigung, geht’s noch?! Da wird manchen Schulen (die gut funktionieren) was weggenommen, damit schlechte Schulen ein wenig besser laufen, mit der Gefahr, dass die gut laufenden nun ebenfalls schlechter laufen. Eine richtige Reform wäre gewesen, den schlechteren Schulen mehr zu geben, ohne den anderen was zu nehmen! Weil im Bildungssystem müssen alle gewinnen! Das heißt, mehr Ressourcen zur Verfügung stellen und nicht umverteilen!"
Poster "La Gross" im STANDARD-Forum
Bravo, wir haben bei den Kosten pro Schüler eines der teuersten Schulsysteme der Welt. Klar, dass alle immer mehr Geld wollen, aber man sollte sich einmal darum kümmern, das vorhandene Geld richtig zu verteilen und auszugeben.
Poster "P. Winkler" im STANDARD-Forum

Klar ist, dass es für Schulen ein transparentes Finanzierungssystem braucht, und zwar ein solches, das jede Bürgerin und jeder Bürger öffentlich einsehen kann. Es ist also löblich, dass zumindest die Grundidee eines transparenteren Systems von den Neos auf Landesebene aufgegriffen wurde, jedoch ging bei der Ausarbeitung wohl doch so einiges schief. Einen tatsächlich glaubwürdigen Mechanismus zur Nachbesserung bei Härtefällen hätte es von Anfang an auch ohne Demonstrationen geben müssen.

Großer Zeitdruck

Gerechtfertigte Kritik gibt es darüber hinaus vor allem an der anhaltenden Intransparenz des neuen Schlüssels, denn dieser ist ja nicht öffentlich einsehbar und entzieht sich somit auch der Evaluierbarkeit durch externe Expertinnen und Experten hinsichtlich seiner wahren Qualität. Das Basiskontingent wurde jedenfalls gekürzt, und etwaige Zuschläge konnten zwar beantragt werden, aber Ablehnungen bei diesen erfolgten dennoch ohne weitere Begründung. Auch beruhen die für die Berechnung der weiteren Zuschläge notwendigen empirischen Fakten laut Recherchen der Elterninitiative Kinderköpfe auf veralteten Daten.

Letztendlich wurden die Umschichtungen jedenfalls viel zu spät bekanntgegeben, sodass kreative Lösungen, um mit weniger Ressourcen gleiche Qualität zu gewährleisten, an einem zu großen Zeitdruck zu scheitern drohen. Der Bildungsstadtrat sollte hier nachziehen und das gesamte System öffentlichstellen, um eine sachliche Diskussion überhaupt erst zu ermöglichen.

Nicht auf Augenhöhe

Was die Neos betrifft, erinnert diese Geschichte unweigerlich an die Problematik mit den Salzburger Frauenhäusern im Jahr 2020, bei denen es zwar Reformbedarf gab, aber einfach eine Lösung verhängtwurde, ohne die relevanten Stakeholderinnen und Stakeholder angemessen in die Erarbeitung auf Sachebene miteinzubeziehen.

Der neue Verteilungsschlüssel war sicherlich ebenfalls gut gemeint, aber schlecht umgesetzt, weil man es wohl vergessen hat, die betroffenen Gruppen auf Augenhöhe miteinzubeziehen. Politische Interessen und intransparente Machtpolitik interessieren jedenfalls uns Eltern nicht und der Grundtenor des ewigen Umfärbens in Sachen Bildungspolitik gehört endlich auf allen Ebenen eliminiert. Das wäre zum Wohl der Kinder – der Gesellschaft höchstes Gut einer besseren Welt von morgen. Und ja liebe Pflichtschülerinnen und Pflichtschüler, leider machen zu viele von sich selbst verblendete Erwachsene in Österreich für euch Bildungspolitik. (Sabrina Dorn, 30.6.2021)