Nein, es geht hier nicht darum, dem Befahren von Gehsteigkorridoren mit dem Rad das Wort zu reden. Schon gar nicht darum, der "Rennleitung" (aka Polizei) dafür ans Bein zu pinkeln, dass sie Schwächere – in diesem Fall Fußgänger – schützt: Das ist gut, wichtig und richtig – und soll auch nicht durch "Whataboutismen" verwässert werden.

Das "Aber" ist anderer Natur – und kann hier an einem hübschen Beispiel festgemacht werden: Im Bereich des entstehenden U-Bahn-Kreuzes Pilgramgasse gibt es an der Rechten Wienzeile einen mehrere 100 Meter langen, sehr schmalen und für Fußgänger reservierten Durchlass. Autos werden umgeleitet. Und der Radverkehr? Der wurde vergessen. Oder ignoriert.

Foto: Rottenberg

Dummerweise mündet aber eine – wenn nicht DIE – Hauptradroute vom Westen in die City und aus ihr heraus genau in dieses Nadelöhr: Minütlich spült es Radfahrer an – und mangels Alternativen meist auch durch – die Engstelle.

Der Miss- und Umstand ist bekannt

Viele steigen ab und schieben. Manche nicht. Und einige wenige fluchen und drängeln und verhalten sich gegenüber Fußgängern genau so, wie Radlobbyisten es (zu Recht) anprangern, wenn es von Autofahrern kommt.

Der Miss- und Umstand ist bekannt. Daran, dass die Polizei hier also regelmäßig kontrolliert, ist daher an sich nichts auszusetzen: Ignoranz und Versagen der Wiener Verkehrsplanung sind ja nicht Schuld der Exekutive – sie schützt hier tatsächlich Schwächere.

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Bloß: Ginge es wirklich um Schutz, stünden die Beamten an den Einfahrten in die "Hohle Gasse". Und genau das findet nicht statt: Der Schluf ist verwinkelt, und in neun von zehn Fällen lauern die Cops genau in seiner Mitte – an einer Stelle, an der man sie aus beiden Richtungen kommend erst, sieht, wenn die Gefährdung der Passantinnen und Passanten längst über hundert Meter stattgefunden haben muss, ein rechtzeitiges, nicht bloß nur zur Strafvermeidung, sondern vor allem der Sicherheit dienendes sinnvolles Absteigen also nicht mehr möglich ist.

Lukrative Mautstellen

Übelmeinende (oder paranoide) Zeitgenossen unken daher, hier gehe es mitnichten um die tatsächliche Sicherheit von Fußgängern. Und kraft der Wiener Rad-Alltagserfahrung gibt es mehr und mehr derart übelmeinende und paranoide Alltagsradfahrer und -fahrerinnen: Dieser Ort taucht mittlerweile an prominenter Stelle einer immer länger werdenden Liste ähnlich lukrativer "Mautstellen" auf.

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An keinem dieser Punkte könnte man der Polizei vorwerfen, nicht zu hundert Prozent nach dem Buchstaben des Gesetzes zu agieren. Aber an jedem ließe sich die Frage stellen, ob es nicht auch anders gehen könnte: Anderswo – etwa in deutschen Großstädten – weist die Exekutive an von einer offensichtlich unwilligen (wenn nicht unfähigen) Verkehrsorganisation verursachten Dauerkonflikt- und -deliktpunkten nämlich längst laut und öffentlich darauf hin, wenn seitens der Verkehrsplanung an bestimmten Orten Grundlegendes schiefläuft: Schließlich könne man hier ja nicht 24/7 Beamte abstellen, um die Schwachen zu schützen. Und darum gehe es doch zuallererst.

Anderswo zumindest. (Tom Rottenberg, 1.7.2021)