Fast 90 Prozent der über 85-Jährigen haben eine Erstimpfung erhalten. Bei den jüngeren Altersgruppen gibt es logischerweise Aufholbedarf. Insgesamt wurden 4,7 Millionen Personen zumindest einmal geimpft.

Foto: Regine Hendrich

Legt man jedes Wort auf die Goldwaage, kann das Fazit nur lauten: Die Bundesregierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat das selbstauferlegte Impfversprechen bis Ende Juni gebrochen. Weniger beckmesserisch betrachtet, was angesichts einer weltweiten Pandemie mit internationalen Abhängigkeiten und Unwägbarkeiten wie Impfstofflieferungen verkraftbar ist, lässt sich auch etwas milder festhalten: Die türkis-grüne Bundesregierung wird das zuletzt adaptierte Impfziel nur um wenige Tage knapp nicht erreichen.

Erstes Versprechen: Bis Ende Juni sind fünf Millionen Menschen geimpft.

Dieses Ziel hat Kanzler Kurz noch vor einem Monat bekräftigt. Bis heute, Mittwoch, so viel steht fest, geht sich das nicht mehr aus. Bis inklusive Montag wurden knapp 4,7 Millionen Personen zumindest einmal geimpft, das sind knapp 60 Prozent der impfbaren Bevölkerung ab zwölf Jahren. Die Schwelle von fünf Millionen Erstimpfungen dürfte aber aller Voraussicht nach im Lauf der kommenden Woche geknackt werden.

Zuletzt ist es den Bundesländern, die für die Durchführung der Impfungen verantwortlich sind, nicht gelungen, die Impfgeschwindigkeit signifikant zu erhöhen. Seit Anfang Juni werden im Sieben-Tage-Durchschnitt zwischen 80.000 und 90.000 Impfungen pro Tag durchgeführt. Das liegt auch daran, dass die weitaus größte Impfstofflieferung nach leichten Verzögerungen erst für diese Woche erwartet wird: Knapp 1,25 Millionen Dosen sollen es insgesamt werden. Die Astra-Zeneca-Lieferung mit 537.600 Impfdosen ist bereits eingetroffen.

Außerdem mussten zuletzt deutlich mehr Zweitstiche zur Vollimmunisierung gesetzt werden: Von knapp 600.000 Impfungen in den vergangenen sieben Tagen waren rund zwei Drittel für eine Vollimmunisierung vorgesehen. Das beeinflusste natürlich auch den Impffortschritt bei den Erstimpfungen. Hätte die Regierung nur das Ziel der fünf Millionen Erstimpfungen bis Ende Juni erreichen wollen, wäre sich das mit verlängerten Abständen bei den Zweitimpfungen ausgegangen. Zuletzt empfahl das Nationale Impfgremium angesichts der Delta-Mutation hingegen, die Abstände zwischen Erst- und Zweitimpfungen weiter zu reduzieren.

Zweites Versprechen: In 100 Tagen – gerechnet ab Ostern – können alle Interessierten mit einer Schutzimpfung rechnen.

Das war die frohe Botschaft von Kanzler Kurz zu Ostern. Demnach sollen bis zum 12. Juli alle interessierten Österreicherinnen und Österreicher eine Schutzimpfung erhalten. Das könnte sich für alle bisher Vorgemerkten knapp ausgehen – obwohl sich seither die Rahmenbedingungen deutlich geändert haben.

So ist Kurz bei seiner Rechnung Anfang April von einer impfbaren Bevölkerung über 16 Jahren ausgegangen. Im Mai wurde der Impfstoff von Biontech/Pfizer aber auch für die Zwölf- bis 15-Jährigen zugelassen. Zudem rechnete Kurz im April noch damit, dass sich zwei Drittel der damals impfbaren Bevölkerung ab 16 Jahren für eine Impfung anmelden werden. Das wären etwa fünf Millionen Impfwillige. Zuletzt ging Kurz von rund 5,5 Millionen Impfwilligen aus. Die Bundesregierung hofft freilich auf eine noch höhere Zahl.

Drittes Versprechen: Neun Millionen Impfdosen bis Ende Juni

Dieses Ziel von Türkis-Grün wird voraussichtlich sogar übererfüllt. Bis Dienstag wurden insgesamt bereits 8,36 Millionen Impfdosen geliefert, weitere rund 700.000 Einheiten sollen bis Ende dieser Woche (und also bis zum Ende des zweiten Quartals) noch kommen. Und Biontech/Pfizer (knapp 560.000 Dosen) lieferte bislang weitgehend verlässlich und mauserte sich zum Motor der heimischen Impfbewegung. Laut Kanzler Kurz und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) stehen in den kommenden zwei Wochen mehr als eine Million Impfdosen für Erstimpfungen zur Verfügung. Damit könnte die Impfquote auf fast 75 Prozent der impfbaren Bevölkerung in die Höhe geschraubt werden.

Mehr Angebot als Nachfrage

Realistischer wird von der Regierung hingegen eingeschätzt, dass das Angebot an Impfstoffen erstmals größer als die Nachfrage sein wird. In Wien wird versucht, mit Impfpartys samt Livemusik Jüngere zu den Impfungen zu bewegen. Kommendes Wochenende wird es bei der Impfstraße beim Austria Center wieder Konzerte geben. 10.000 Impftermine wurden für Mitarbeiter der Nachtgastronomie freigeschaltet.

Im Burgenland, in Salzburg und Kärnten können diese Woche wohl nicht alle vorhandenen Dosen gespritzt werden, weil es zu wenige Anmeldungen gibt. Auch in der Steiermark wird die Suche nach Impfwilligen schwieriger. In Tirol werden Interessierte am 4. Juli erstmals ohne Voranmeldung in den Impfzentren des Landes geimpft. (David Krutzler, 30.6.2021)