Vladimir Petković ist der erfolgreichste Teamtrainer, den die Schweiz je hatte.

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Es ist noch keine zwei Wochen her, da sah sich Vladimir Petković dazu genötigt, von den Schweizer Fußballfans Solidarität und Unterstützung einzufordern. "Fußballspieler und Trainer haben Gefühle, Sorgen, Ängste und Freuden wie alle anderen. Wir sind genauso verletzlich", schrieb der 57-jährige Trainer des "Nati" genannten Nationalteams, das vor dem entscheidenden EM-Gruppenspiel gegen die Türkei massiver Kritik ausgesetzt war, in einem offenen Brief.

Nach schwachen Auftaktspielen gegen Wales und Italien sowie der "Figaroaffäre" – Kapitän Granit Xhaka und andere hatten einen Friseur einfliegen lassen – kochte die Volksseele und wütete der Boulevard. Sogar die NZZ sah "den Tiefpunkt" der Ära Petković.

Die währt seit Sommer 2014 und erlebte mit dem Achtelfinalkrimi gegen Frankreich, dem Einzug ins EM-Viertelfinale, ihren emotionalen Höhepunkt. Das ist umso wunderbarer, als Petković schon oft der Abgang nahegelegt wurde, nicht selten mit rassistischem Unterton. Dabei war der Ex-Profi schon vor der EM dem Punkteschnitt nach der erfolgreichste Teamchef aller bisherigen Zeiten, noch vor dem Weltstar Ottmar Hitzfeld, dem er im Amt folgte, oder dem volksnahen Jakob "Köbi" Kuhn.

Von Sarajevo in die Schweiz

1987 verließ der bosnische Kroate, Sohn einer Lehrerin und eines Lehrers, seine Geburtsstadt Sarajevo, um in der Schweiz Fußball zu spielen. Nach Ende seiner Karriere ließ sich der Wahl-Tessiner zum Sozialarbeiter ausbilden und war bei der Caritas tätig; seit 13 Jahren wirkt er nun als Trainer.

Der verheiratete Vater zweier Töchter, der sieben Sprachen spricht, wurde trotz seiner kroatisch-schweizerischen Doppelstaatsbürgerschaft nie richtig akzeptiert. Zu wenig gab er über sich selbst preis und über seine Familie, die in der Belagerung Sarajevos litt.

"Vlado, mach das Fenster auf", forderte einst die Zeitung Blick, doch Dado, wie er daheim genannt wird, blieb zurückhaltend, höflich und zuweilen verschlossen.

Als Sarajlija, als Bewohner Sarajevos, ist Petković wie auch der ehemalige Sturm-Graz-Trainer Ivica Osim (ebenso Sarajlija) ein Stolz Bosniens. Dauerhaft der Stolz der Schweiz wird er kaum werden, so wie viele seiner Spieler sehr schnell an ihre Abstammung erinnert werden, wenn sie in der Nati nicht entsprechen. Petković weiß, wie man sich vor Unverschämtheiten schützt: "Ich habe mir ein bisschen Vaseline auf den Kopf gestrichen, so konnte das Wasser ablaufen. Ich spüre nichts." (Sigi Lützow, 29.6.2021)