Für Katharina Reich ist es "noch nicht der richtige Zeitpunkt", die Maske Mitte Juli komplett an den Nagel zu hängen.

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Am Donnerstag tritt die neue Corona-Verordnung in Kraft. Sie bringt etliche Erleichterungen. Unter anderem fällt indoor überall dort, wo Geimpfte, Getestete und Genesene per Nachweis Zugang erhalten (Drei-G-Regel), die Maskenpflicht. Das betrifft etliche Bereiche wie die Gastronomie, Fitnessstudios und Kinos oder körpernahe Dienstleister wie Friseure sowie Clubs, die nach monatelanger Zwangspause wieder öffnen. In Öffis und dem Handel beispielsweise wird fortan ein Mund-Nasen-Schutz reichen. Wenn es nach Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geht, aber nicht für lange: Der türkise Parteichef will am liebsten weitere Lockerungen per 22. Juli, wenn sich die Situation weiterhin gut entwickle. "Die Maske soll kein Dauerzustand werden", sagte Kurz am 20. Juni.

Doch diesem Ansinnen stellte sich nun Katharina Reich, Direktorin für die öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, Dienstagabend in der "ZiB 2" entgegen. "Ich sage es ganz offen, ich bin nicht für das Ende der Maskenpflicht", sagte Reich. Die Maske sei einfach, sie schränke uns kaum ein, wir seien mittlerweile daran gewöhnt. Für Reich ist es nachvollziehbar, dass man in manchen Bereichen aufgrund der sommerlichen Temperaturen nun auf den Mund-Nasen-Schutz wechseln könne. Bei niedrigen Infektionszahlen und Hitze sei dieser eine "gute Methode", um sich zu schützen. "Aber für ganz ohne Mund-Nasen-Schutz in den kritischen Bereichen ist noch nicht der richtige Zeitpunkt." Es sei aber noch Zeit, sich das genauer anzusehen und darüber zu entscheiden.

Kurz: "Verfolge nicht tagtäglich, was die Frau Reich sagt"

"Ich verfolge nicht tagtäglich, was die Frau Reich sagt", entgegnete Kurz am Mittwochvormittag im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Wenn es die Situation zulasse, werde bei den Masken "ein nächster Schritt" gemacht. Das habe man als Regierung verkündet. "Ich bitte Sie, eines nicht zu vergessen: Menschen, die zum Beispiel im Hochsommer im Handel arbeiten, teilweise in nichtklimatisierten Geschäften, da acht oder zehn Stunden lang die Maske zu tragen, das ist einfach eine Belastung, und daher, natürlich immer mit der notwendigen Vorsicht, aber gleichzeitig, wenn etwas möglich ist, werden Öffnungsschritte durchgesetzt", erklärte der Kanzler. Man wisse aus vielen anderen Ländern, "dass die selbstverständlich auch irgendwann auf Freiwilligkeit zum Beispiel bei der Maske setzen". Es gebe in Österreich mit der Drei-G-Regel auch ein starkes Sicherheitsnetz dafür.

Die allermeisten Experten seien in den vergangenen Monaten sehr vorsichtig geworden, so auch seine Sektionschefin Reich, führte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) aus. "Das ist auch ihre Aufgabe", sagte er. Es gebe aus seiner Sicht zwei relevante Linien in der Maskenfrage: den Impffortschritt, "wo wir aber jetzt schon bemerken, dass teilweise Termine frei sind", und die Öffnungsschritte. "Das sind zwei Linien, die bestimmen werden, wie der Sommer wird", erklärte Mückstein. Man habe sich regierungsintern darauf verständigt, sich die aktuelle Situation im Drei-Wochen-Rhythmus anzusehen. "Wenn sich die Menschen an die Regeln halten, dann kommen wir gut über den Sommer." Die Aufgabe der Experten sei es, darauf hinzuweisen, dass man vorsichtig sein müsse. "Und ich glaube, wir sind das tatsächlich", schloss Mückstein und ließ offen, wie er aktuell zur Maskendebatte steht.

ORF

Zuletzt zeigte sich auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) angesichts der ansteckenderen Delta-Variante skeptisch, was die Euphorie bei den Öffnungsschritten anlangt. Er mahnte zur Vorsicht und warnte davor, den Sommer wie im vergangenen Jahr unbeschwert zu genießen und später harte Einschnitte für Wirtschaft und Arbeitsmarkt im Herbst zu riskieren. Ludwig will "darauf pochen, weiterhin Masken in Innenbereichen" zu tragen und empfindet das Tragen einer Maske in den Öffis als "sinnvoll". Die Wiener Linien könnten den Kanzler-Kurs deshalb womöglich nicht mittragen.

"Die Jungen sind jetzt dran"

Hans-Peter Hutter, Public-Health-Experte der Universität Wien, sieht zwar kein Problem darin, in manchen Bereichen von FFP2-Masken auf Mund-Nasen-Schutz zu wechseln. Weniger Verständnis zeigte er zuletzt im STANDARD aber dafür, die Maskenpflicht per 22. Juli etwa auch in Supermärkten und den Öffis aufzuheben – dies nicht nur wegen des möglicherweise fehlenden Mindestabstands: "Damit bricht man wie schon im vergangenen Sommer mit einer Gewohnheit und eröffnet im Fall einer Wiedereinführung neuerlich die Debatte darüber, wie sinnvoll Masken eigentlich sind – und das sind sie." Zurücklehnen könne man sich, "wenn 70 bis 80 Prozent geimpft sind", sagte Hutter im Mai in einem ORF-Gespräch zur Maskenfrage. Derzeit sind fast 40 Prozent in Österreich voll immunisiert.

Die Öffnungsschritte ab Donnerstag verteidigte Reich in der "ZiB 2". Wenn sich die Infektionszahlen in sichereren Gefilden bewegen, wolle man denjenigen, die lange gewartet haben, "Dinge" ermöglichen, die sie brauchen, um ihr Leben ein bisschen besser genießen zu können. "Die Jungen sind jetzt dran", sagte Reich. Man sei "gerüstet". Es sei nicht so, dass man der Delta-Variante "ohnmächtig" gegenüberstehe, "sondern wir können sehr viel tun", erklärte Reich. Der Beamtin ist es lieber, dass Feiern im kontrollierten Setting ("Drei G") möglich wird und nicht im privaten Bereich passiert, wo man keine Übersicht habe. Für die Nachtgastronomie reicht ein Antigentest. "Natürlich ist ein PCR-Test besser", sagt Reich. "Aber ein Antigentest geht auch, möglichst kurz vor dem Ereignis."

Was derzeit feststeht und was noch kommt

In der aktuellen Öffnungsverordnung, die mit um Mitternacht in Kraft tritt, ist eigentlich schon recht genau geregelt, wie es mit den Masken weitergeht. Ab Donnerstag werden, so sieht es die Verordnung vor, FFP2-Masken weitgehend obsolet. Die braucht man dann nur noch als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin in Alten- und Pflegeheimen und in Gesundheitseinrichtungen, wenn man keinen gültigen Drei-G-Nachweis hat.

Einen normalen Mund-Nasen-Schutz wird es laut Verordnung ab Donnerstag in erster Linie überall dort brauchen, wo keine Drei-G-Regel existiert. Dazu zählen zum Beispiel Öffis und Öffi-Stationen und (für Kunden und Kundinnen) Museen und der gesamte Handel. Außerdem braucht man eine Maske bei Zusammenkünften von über 100 Personen, sofern nicht alle einen Drei-G-Nachweis haben (etwa auf Begräbnissen), wenn man Essen in einem Restaurant abholt und in Berufen mit Kundenkontakt, sofern weder Personal noch Kundschaft einen Drei-G-Nachweis haben. Letzteres betrifft etwa den Handel, sofern es dort keine anderen geeigneten Schutzmaßnahmen gibt.

Wer körpernahe Dienstleistungen in Anspruch nimmt, braucht keine Maske, ebenso wenig muss man sie in der Gastronomie aufsetzen. Auch in Freizeiteinrichtungen, dazu zählen etwa Tanzschulen, Tierparks, Bäder und Bordelle, braucht man einen Drei-G-Nachweis und damit keine Maske mehr. Für Besucherinnen und Besucher von Pflegeheimen gilt sowohl die Drei-G-Regel als auch die Maskenpflicht. Für Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr gibt es überhaupt keine Maskenpflicht.

Am 22. Juli wird aber bekanntlich weiter gelockert, auch dazu sind bereits Regeln in der aktuellen Verordnung festgeschrieben. So heißt es dort, statt in sämtlichen Kundenbereichen brauche man die Maske dann nur noch in öffentlichen Apotheken, in Supermärkten, Banken und der Post. Davon, dass etwa in den Pflegeheimen oder auch in Museen die Regeln weiter gelockert werden, ist allerdings keine Rede, auch die Frage, wie es mit der Maskenpflicht im Job weitergeht, ist in der vorliegenden Verordnung noch unklar geregelt. (Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 30.6.2021)