Einen Allgemeinarzt auf Kasse zu finden ist in manchen Regionen in Österreich bereits ein schwieriges Unterfangen.

Foto: Elmar Gubisch

Wien – Es sei Feuer am Dach. Die Zahl neu ausgebildeter Ärzte reiche für den Nachbesetzungsbedarf nicht aus, warnte Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres bei der Präsentation der Ärztestatistik am Mittwoch.

Derzeit gibt es knapp 47.700 Ärztinnen und Ärzte in Österreich, davon sind rund 26.400 Fachärzte, 13.100 Allgemeinmediziner und fast 8.000 Turnusärzte. Allerdings entspricht dieser Stand nur rund 40.000 Vollzeitäquivalenten.

Als "besondere Herausforderung" macht Szekeres die Altersstatistik in der Ärzteschaft aus: Ein Drittel ist über 55 Jahre alt. In den nächsten zehn Jahren werden 15.400 Ärzte das Pensionsalter von 65 überschreiten, allein zur Aufrechterhaltung des Status quo bei der Kopfzahl entstehe dadurch ein Nachbesetzungsbedarf von 1.500 Personen pro Jahr.

Berücksichtigt man, dass ein guter Teil der Ärzte Teilzeit arbeitet, Frauen typischerweise noch etwas früher das Pensionsalter erreichen und durch eine immer älter werdende Bevölkerung auch der Bedarf an Gesundheitspersonal steigt, liegt der Bedarf noch höher.

200 Kassenverträge offen

Allein im aktuellen Quartal sind laut Ärztekammer im niedergelassenen Bereich 200 Kassenverträge nicht besetzt, davon betreffen 121 die Allgemeinmedizin, 79 sind Facharztverträge. Besonders viele Mediziner fehlen in der Kinder- und in der Frauenheilkunde. So sind zum Beispiel in Niederösterreich derzeit 13 Kassenverträge für Kinderärzte offen, in Wien zwölf, in Oberösterreich fünf.

Für manche gilt die Vakanz kurzfristig, aber laut Szekeres wurden einige Verträge zehn-, 20- oder gar 40-mal erfolglos ausgeschrieben. Bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) heißt es dazu, dass zugleich im Jahr 2020 insgesamt 534,2 Planstellen nachbesetzt wurden. 97 Prozent der Kassenstellen seien Anfang des zweiten Quartals besetzt gewesen.

Wichtig sei laut Szekeres, in dem Bereich Modelle zu schaffen, um Teilzeitbeschäftigungen zu ermöglichen. Teilzeit arbeiten beispielsweise auch viele Wahlärztinnen und -ärzte – dieser Sektor boomt. Gab es 2010 noch rund 7.400 Wahlärzte, waren es 2020 bereits 10.600.

Seit Herbst 2019 besteht die Option, dass niedergelassene Ärzte Kollegen anstellen können. Das mache sich in der Statistik aber noch nicht bemerkbar. 48,5 Prozent der Ärzteschaft sind Frauen, für sie braucht es aus Szekeres' Sicht mehr attraktive Arbeitsoptionen, die Familie und Beruf unter einem Hut ermöglichen.

Auch im Spitalsbereich brauche es mehr Flexibilität und Dienstzeitmodelle, beispielsweise für ältere Dienstnehmer. Szekeres warnt davor, dass der internationale Wettbewerb um Jungmediziner nicht weniger werde. Nachbarländer würden mit attraktiven Angeboten locken. Laut Kammer bleiben schon jetzt 40 Prozent der Medizinstudierenden nach dem Studium nicht in Österreich.

Kasse hinterfragt Quote

Seitens der ÖGK verweist man darauf, dass die Arbeit in Primärversorgungseinheiten andere Gestaltungsmöglichkeiten bringe, die zum Beispiel auf junge Mediziner anziehender wirken könnten. Außerdem probiere man ein Modell aus, in dem Spitalsärzte in eigenen Ambulanzen im ländlichen Gebiet arbeiten und so quasi in den niedergelassenen Sektor hineinschnuppern können. Zudem hinterfragte Bernhard Wurzer, Generaldirektor der Österreichischen Gesundheitskasse, zuletzt im "Presse"-Interview, ob man die starke Teilnehmerbeschränkung beim Medizinstudium aufrechterhalten solle.

Im Gesundheitsministerium verweist man in der Sache unter anderem auf ärztliche Übergangspraxen, die bei der Übergabe von Ordinationen an Nachfolger helfen können, auf die 2015 erfolgte Reform in der Ärzteausbildung und ebenso auf flexiblere Arbeitsformen in Praxen. (Text: Gudrun Springer, Grafiken: Sebastian Kienzl, 30.6.2021)