Nach den Vorrundenergebnissen der Fußball-EM könnte man glauben, der Fußballgott wollte ein Zeichen gegen organisierte Kriminalität setzen: Die vier Staaten mit den korruptesten Regierungschefs – Ungarn, Polen, Türkei und Russland – flogen allesamt als Gruppenletzte aus dem Turnier. Die Frage, warum dann Österreich aufgestiegen ist, erscheint mir nicht berechtigt, zumal unser Land, verglichen mit diesen vier Kleptokraturen, zum Glück doch noch in einer anderen Liga spielt.

Die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens für Rechtsstaatlichkeit und Antikorruption.
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Unbestreitbar ist jedoch, dass es einem drohenden Abstieg vorzubeugen gilt. Zu diesem Zweck wurde dieser Tage ein Volksbegehren für Rechtsstaatlichkeit und Antikorruption ins Leben gerufen. Ein Anliegen, das auf den ersten Blick grundvernünftig und dringlich wirkt. Aber täuscht dieser Eindruck?

Martina Salomon, oftmals einsame Vorkämpferin für dissidente Intellektualität, bezeichnet im Kurier die Tatsache, dass auch ehemalige ÖVP-Spitzenpolitiker das Volksbegehren unterstützen, als "Nestbeschmutzung". Doch bevor man sich fragt, ob hier die Verunreinigung des Nestes mit dem Auf- die-Verunreinigung-aufmerksam-Machen verwechselt wurde, überwältigt schon Salomons nächste These:

Öffentliches Engagement im Kampf gegen Korruption beschädigt den Wirtschaftsstandort! Ein Gedanke, dessen Brillanz an Österreichs wichtigsten Ideenschmied für moralisch flexible Ökonomie, Herbert Kickl, erinnert. Der hatte einst zur illegalen Wahlkampfkostenüberschreitung seiner Partei in Höhe von vier Millionen Euro gemeint: "Es ist ja nicht so, dass dieses Geld nicht auch irgendwo ankommen würde, wo ein Nutzen für Österreich entsteht. Dieses Geld fließt in einen wirtschaftlichen Kreislauf. Das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen!" Ein bestechendes Argument, das auch die volkswirtschaftlichen Verdienste von Drogenhandel in neuem Licht erscheinen lässt.

Korruptions-Bashing

Welche dramatischen Auswirkungen öffentliches Korruptions-Bashing zeitigen kann, weiß die Kurier-Chefredakteurin auch noch: "Der sogenannte Korruptionsindex von Transparency International ist eine Umfrage, die Berichterstattung widerspiegelt: Je mehr in einem Land die Korruption besprochen wird, desto mehr rutscht ein Land ab."

Ein Blick auf das aktuelle Ranking bestätigt diese Erkenntnis, liegt doch Nordkorea auf einem der letzten Plätze. Ein Land, das für seine gnadenlose Offenheit und mediale Kritik an Korruption bekannt ist. Und gilt nicht auch für Alarmismusprofiteure wie die Feuerwehr der Grundsatz: Je mehr über die Gefahren des Feuers gesprochen wird, umso öfter brennt es?

Eine Sichtweise, die offenbar schon von zahlreichen heimischen Medien geteilt wird. Dass unlängst Ex-Außenministerin Karin Kneissl vor dem U-Ausschuss über Inseratenkorruption im Außenministerium und der Zeitungsherausgeber Horst Pirker über vom Finanzministerium veranlasste Bestrafung für kritische Berichterstattung berichteten, wurde von vielen österreichischen Medien verschwiegen. Möglicherweise wollen sie damit nur Österreichs Ranking im Korruptionsindex verbessern. Und außerdem: Auch Schweigegeld belebt den wirtschaftlichen Kreislauf. Das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen!(Florian Scheuba, 1.7.2021)