Die ersten Einvernahmen der beiden Tatverdächtigen im Fall des getöteten 13-jährigen Mädchens haben laut Polizei wenig zur Klärung beigetragen. Der 16 Jahre alte Afghane habe geschwiegen, sein um zwei Jahre älterer Landsmann habe bestritten, am Tod des Mädchens aus Tulln schuld zu sein, darüber hinaus aber keine Angaben gemacht, hieß es am Mittwoch bei der Wiener Polizei. Die Ermittlungen laufen weiter wegen Mordverdachts. Das Duo wurde inzwischen in die Jugendabteilung der Justizanstalt Josefstadt überstellt. Über eine U-Haft muss innerhalb von 48 Stunden entschieden werden.

Strafverteidiger Peter Philipp hat die Verteidigung des 16-jährigen Ali H. übernommen. Bisher habe sein Mandant von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, bestätigte Philipp. Er selbst habe bisher noch nicht mit ihm reden können, da kein Dolmetscher zur Verfügung stand.

Auf dem Grünstreifen in Wien-Donaustadt, wo am Wochenende das tote Mächen gefunden wurde, platzieren immer mehr Wienerinnen und Wiener Kerzen als Zeichen von Trauer und Mitgefühl.
Foto: APA/Neubauer

Ermittlungstaktik

Die Polizei ist sich sicher, dass noch zumindest eine weitere Person involviert war, aus ermittlungstaktischen Gründen gab es zur Fahndung nach weiteren Verdächtigen zunächst keine konkreten Angaben. Wie berichtet, war das Mädchen am vergangenen Wochenende in Wien-Donaustadt tot an einen Baum gelehnt gefunden worden. Nach einer vorläufigen Rekonstruktion der Polizei dürfte sie zuvor in der nahegelegenen Wohnung des 18-Jährigen gewesen sein, wo auch Drogen konsumiert worden sein sollen.

Betreute Wohnung

Der afghanische Staatsbürger ist laut Innenministerium bereits wegen Suchtgifthandels, gefährlicher Drohung und Raufhandels mit dem Gesetz in Konflikt geraten, die Kinder- und Jugendhilfe Wien hatte deswegen Kontakt zu ihm. Seine Unterkunft im 20. Bezirk war eine betreute Wohnung. Zuletzt sollte er abgeschoben werden, hatte aber Berufung gegen die Aberkennung seines Status eingelegt.

Die Leiche des Mädchens wies zahlreiche Hämatome und Spuren von schweren sexuellen Übergriffen auf. Die Staatsanwaltschaft Wien hat mehrere Gutachten – darunter ein Obduktionsgutachten zur Abklärung der genauen Todesursache sowie ein toxikologisches und ein molekulargenetisches Gutachten – in Auftrag gegeben.

Polizei am Fundort des getöteten Mädchens.
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Verdächtige wirken älter

Auch die Altersangaben der beiden Verdächtigen werden überprüft. Aus den Akten der Asylbehörde geht hervor, dass sie 16 beziehungsweise 18 Jahre alt sind. Beide machen aber dem Vernehmen nach den Eindruck, älter zu sein. Dieser Eindruck kann zwar täuschen, doch für die weitere Vorgehensweise bei Gericht ist es wichtig, ob jemand unter oder über 21 Jahre alt ist. Diese Grenze ist im Jugendgerichtsgesetz festgeschrieben.

Unterschiede bei Strafrahmen

Für Jugendliche und junge Erwachsene gelten etwa schon bei der Einvernahme, bei der Anhaltung und in der U-Haft spezielle Regeln. Sie müssen von Anfang an rechtlichen Beistand (Anwalt oder Bewährungshilfe) haben. Ein Ermittlungsverfahren gegen unter 21-Jährige muss beschleunigt geführt werden. Und wenn es zu einem Strafprozess kommt, gelten reduzierte Strafrahmen. Die Höchststrafe darf für Verurteilte bis zum 18. Lebensjahr nicht 15 Jahre Gefängnis übersteigen (zehn Jahre bei unter 16-Jährigen).

Für junge Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren gilt seit dem Vorjahr eine maximale Strafandrohung von 20 Jahren, wenn es sich um ein schweres Sexualverbrechen, ein Verbrechen gegen Leib und Leben, um Terrorismus oder organisierte Kriminalität handelt.

Auch Konsequenzen bei Strafunmündigkeit

Strafunmündig im Sinne des Strafgesetzes sind Personen unter 14. Konsequenzen haben aber auch Straftaten, die von Jüngeren begangen werden. So können Erziehungsberechtigte zu Schadenersatz verurteilt werden, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Junge Straftäter müssen damit rechnen, der Fürsorge übergeben zu werden. Bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung, die Eigengefährdung oder Gefährdung anderer nicht ausschließt, können auch Betroffene unter 14 in Anstalten eingewiesen werden – es handelt sich aber um keinen Maßnahmenvollzug.

Psychologische Betreuung

Die Eltern des getöteten Mädchens werden psychologisch betreut. Auch in der Neuen Mittelschule in Tulln, wo das Opfer zur Schule ging, kommt der schulpsychologische Dienst zum Einsatz. Die Familie wohnt noch nicht lange in Tulln. Die Kinder- und Jugendhilfe Niederösterreich bestätigte auf Anfrage des STANDARD, dass es in den vergangenen Wochen einen Kontakt zwischen dem Mädchen und der "örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfe" gegeben habe. (Michael Möseneder, Michael Simoner, 30.6.2021)