Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sieht keinen Grund für strengere Regeln in Wien.

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Wien – Die in Wien regional verschärften Corona-Maßnahmen stoßen auf erbosten Widerstand von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), der dies am Donnerstag eine Aussendung wert war. "Am Tag vor gut geplanten bundesweiten Öffnungsschritten einseitig die Regeln zu ändern ist völlig absurd", schrieb sie. "Das ist genau das Gegenteil von Planungssicherheit, was die Stadt Wien hier veranstaltet." "Das Virus, insbesondere die Delta-Variante, ist nach wie vor gefährlich. Der letzte Sommer hat gezeigt, was passieren kann", kontert der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), ebenfalls in einer Aussendung. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), aber auch Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) begrüßen den Wiener Vorstoß.

Während bundesweit am Donnerstag viele Regeln gelockert wurden, hat sich Wien für teilweise strengere Regeln entschieden. "Bis es zu einer Vollimmunisierung der Bevölkerung kommt", sagte Ludwig, werde man Maßnahmen setzen, die "die Gesundheit in der Bevölkerung in den Mittelpunkt" stellen.

In Wien gilt nun eine Testpflicht für Kinder bereits ab sechs Jahren, etwa in der Gastronomie oder im Schwimmbad. Außerdem sind die sogenannten Wohnzimmertests in Wien generell nicht mehr als Zutrittsberechtigung erlaubt. Bekanntgegeben wurde dies erst am Mittwoch.

Köstinger: "Kein plausibler Grund"

Köstinger quittierte dies "mit Unverständnis und harscher Kritik", wie es in ihrer Aussendung hieß. "Wie stellt man sich vor, dass sich Gastronomie und Tourismus in weniger als 24 Stunden auf diese neuen Regeln einstellen sollen?", fragte sie. "Das ist vollkommen unprofessionell und ein Schlag ins Gesicht tausender Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich gewissenhaft vorbereitet haben und nun überfallsartig geänderte Regeln umsetzen sollen. Auch bei den Gästen stiftet diese chaotische Vorgangsweise völlig unnötige Verwirrung."

Die Vorgangsweise Wiens gehe auch völlig an der epidemiologischen Realität vorbei, so die Ministerin. Es gebe keinen plausiblen Grund für diese Verschärfungen. "Dass Wien nun die Drei-G-Regel auf Kinder ab sechs Jahren ausweitet, macht die Planungen für viele Familien extrem schwierig und greift in eine bislang sehr gut funktionierende bundesweite Teststrategie ein", ärgerte sich Köstinger.

"Wien setzt keine strengeren Maßnahmen, sondern verlängert bestehende", kontert Ludwig. Das Virus sei nach wie vor gefährlich, das hätten der letzte Sommer und die damals "verfrühten Lockerungen des Bundes" gezeigt. Nach wie vor seien viele jungen Eltern nicht geimpft, deshalb sei es wichtig, Infektionsketten durch Tests zu unterbrechen – auch in den Schulferien.

Faßmann zeigt Verständnis

Am Rande einer Pressekonferenz nahm Bildungsminister Heinz Faßmann aus dem türkisen Regierungsteam zur Testpflicht für Schulkinder in Wiener Bädern und Lokalen Stellung – und zeigte im Unterschied zu Köstinger Verständnis für die Wiener Vorgangsweise.

Da in den Ferien nicht mehr an den Schulen getestet werde und der Ninja-Pass als Eintrittsnachweis daher mit Ferienbeginn auslaufe, drohe die Gefahr eines zweimonatigen "Testlochs". Faßmann: "Ich verstehe daher, dass sich Kinder testen müssen, wenn sie bestimmte Einrichtungen in Anspruch nehmen wollen, weil es nicht mehr automatisch an den Schulen passiert." Auf Nachhaken einer Journalistin räumte der Bildungsminister allerdings ein, über die verschiedenen Altersgrenzen für die Testpflicht in den Bundesländern nicht Bescheid zu wissen.

Mehr Gurgeltests

Um das Testen von Kindern zu erleichtern, wie es hieß, hat Wien ab sofort bei der PCR-Aktion "Alles Gurgelt" zusätzliche Maßnahmen ergriffen. So werden in den Bipa-Filialen, die für die Ausgabe der Testkits zuständig sind, acht Sets pro Person und Woche ausgegeben, teilte das Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) der APA mit. Bisher waren vier Stück die Höchstgrenze. Auch die städtischen Jugendzentren sowie Organisationen, die Sommerlager veranstalten – also etwa die Pfadfinder oder die Jungschar – werden mit Kits ausgestattet.

Zudem seien die "Alles Gurgelt"-Befunde nun vollständig auf den Grünen Pass umgestellt, wurde betont. Die EU-konformen Testzertifikate würden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern automatisch zugestellt, was das Reisen ins EU-Ausland erleichtere. Der Stadtrat selbst hat wie zuvor der Bürgermeister die Kritik von Köstinger heute zurückgewiesen. "Die Frau Köstinger verwechselt offensichtlich die Pandemie mit einem Jungscharlager der Jungen ÖVP", sagte Hacker im Ö1-Mittagsjournal. Die Ministerin habe sich schon als "ausgezeichnete Virologin" bekannt gemacht, als sie im Vorjahr den Burggarten gesperrt habe. Er schicke ihr gerne einen Experten, der ihr erkläre, was eine Pandemie sei, sagte Hacker.

Kritik von ÖVP, FPÖ und Familienverband

Die Wiener ÖVP ließ unterdessen am Donnerstag ebenfalls kein gutes Haar an der Maßnahme. "Der Zick-Zack-Kurs Wiens bei den Corona-Maßnahmen der Stadt wird offenbar auch über den Sommer fortgesetzt. Eine klare Linie ist hier seit Anbeginn der Pandemie nicht erkennbar", kritisierte die nicht amtsführende Stadträtin Bernadette Arnoldner in einer Aussendung. Die Vorschriften würden Familien und ihren Kindern viel Kraft und Nerven kosten. Wiens FP-Chef Dominik Nepp erzürnte sich über eine "Sabotage" der Lockerungsverordnung des Bundes durch das Wiener Vorgehen.

Der katholische Familienverband Wien kritisiert die Änderungen ebenfalls. Familien müssten ent- und nicht belastet werden. "Eltern haben sich nach den Strapazen der letzten Monate Erleichterungen verdient. Stattdessen verschärft die Stadt Wien die Gangart und bürdet Eltern noch mehr auf", beklagte Barbara Fruhwürth, die Vorsitzende des Verbandes. Der Besuch der Ferienbetreuung werde ebenso erschwert wie ein spontaner Ausflug ins Schwimmbad oder in den Eissalon. Sie forderte unter anderem die Einrichtung einer "Fast Lane" für Kinder bei Teststraßen. (APA, red, ta, 1.7.2021)