Wien – Amelia sitzt auf einem umfunktionierten Ergometer und diskutiert angeregt mit ihren Schulkollegen. Was passiert bei einer Bürgschaft, welche Auswirkungen hat die Inflation, und was ist die Kapitalertragssteuer. Sie arbeiten im Team, doch wenn Fragen falsch beantwortet werden, nimmt der Widerstand am Ergometer für Amelia zu. "Bei einer Bürgschaft trittst du deine Schulden ab", sagt Amelias Klassenkollege. "Nein, du stehst für jemanden ein, wenn der nicht zahlen kann", entgegnet Amelia. Es radelt sich leichter für die 13-Jährige.

Amelia ist Schülerin der Mittelschule Sacré Coeur im niederösterreichischen Pressbaum. Die Klasse ist zu Gast im Erste Financial Life Park (Flip), einer Art Erlebnis-Location zum Thema Geld und Finanzen der Erste Bank. In 120-minütigen Touren wird Schülerinnen und Schülern auf spielerische Art und Weise finanzielles Wissen vermittelt und nähergebracht, welche Auswirkungen finanzielle Entscheidungen auf ihr Leben haben. Das Angebot ist kostenlos und richtet sich laut Erste Bank an sämtliche Schultypen und Bildungsschichten. Für drei verschiedene Altersgruppen wurde das Programm abgestimmt: für Zehn- bis 14-Jährige, 15- bis 17-Jährige und ab 18.

Amelia strampelt, um ihre finanzielle Zukunft richtig zu gestalten – zumindest metaphorisch. Beantworten sie und ihre Kollegen Fragen richtig, hat sie weniger Widerstand auf dem Rad.
Foto: Erste Bank / Marlena König

"Fluch und Segen Youtube"

"Kinder machen sich mehr Gedanken über Finanzthemen, als man meinen möchte", sagt der Geografie- und Wirtschaftskunde-Lehrer der Klasse, Thomas Kafka. "Youtube ist Fluch und Segen. Einerseits wird den Kindern das schnelle Geld versprochen, andererseits wird ihr Interesse für das Thema geweckt._Vor allem Bitcoin ist oft Thema." Im Lehrplan seien nur wenige Wirtschaftsthemen enthalten, es käme primär auf das Interesse der Lehrer an.

Die Wahrnehmung des Lehrers deckt sich mit den Aussagen der Kinder. Kürzlich habe er "Aktien" gegoogelt und sich durchgelesen, wie das funktioniert, erzählt beispielsweise der zwölfjährige Simon. Von der Tour im Flip sind sowohl Lehrer als auch Schüler begeistert. Im Herbst wird das Zentrum fünf Jahre alt, mehr als 50.000 Schüler waren seit der Eröffnung 2016 zu Besuch. Vor der Pandemie besuchten rund 25 Klassen pro Woche bzw. 100 Schüler pro Tag das 1500 Quadratmeter große Areal auf dem Erste Campus, unmittelbar neben dem Schloss Belvedere in Wien.

Sylvia Liebeswar macht seit fast fünf Jahren mit Kinder und Jugendlichen. Ansaschmäh gibt es laut ihr keinen, um die Schüler zu motivieren. Sie mit ihrer eigenen Realität zu konfrontieren, sei jedoch vielversprechend.
Foto: Erste Bank / Marlena König

Preist und Wert

Amelia ist mittlerweile vom Rad abgestiegen und bei der nächsten Station angekommen. In einem ehemaligen Kundentresor diskutieren die Schüler bei einem virtuellen Kartenspiel über den Wert von Objekten. Je nach Preis, Nutzen und emotionaler Bindung wird über den Wert abgestimmt. Ist mir Gewand mehr wert als ein Fahrrad? Bekomme ich lieber eine geringere Menge Bargeld geschenkt oder ein teureres Produkt? Schnell kristallisiert sich für die Gruppe heraus, dass Preis und Wert oft divergieren.

Die Schüler sind mit Enthusiasmus bei der Sache, nach monatelangem Home-Schooling tut ihnen das Rauskommen sichtlich gut. "Wir freuen uns alle sehr, dass wir nach der lange Zeit zu Hause endlich wieder gemeinsam wohin fahren konnten", sagt Amelia.

Für die Tour bekommt jeder Teilnehmer ein eigenes konfiguriertes Tablet, das als Eingabegerät während der Tour dient. Beispielsweise werden die Schüler mit einem Haushaltsbudget konfrontiert und teilen dafür die Fixkosten ein. Schnell kristallisiert sich heraus, dass die meisten unterschätzen, wie viel die meisten Menschen hierzulande für Freizeitaktivitäten ausgeben. Das Thema führt zu überraschend angeregten Gesprächen, wer mit seinen Eltern was unternimmt.

Ein alter Kundentresor wird erkundet.
Foto: Erste Bank / Marlena König

Gibt keinen "Ansaschmäh"

"Mit den Zehn- bis 14-Jährigen macht es am meisten Spaß. Die sind mit der größten Motivation dabei", sagt Sylvia Liebeswar, eine der hauptberuflichen Guides im Flip. Einen "Ansaschmäh", um die Kinder zu begeistern, gebe es nicht, sie mit ihrer Realität zu konfrontieren sei aber meist erfolgreich. "Inflation erkläre ich ihnen anhand ihres Taschengeldes, da hören sie alle zu."

Es folgt eine Grundsatzfrage: "Findet ihr, Bargeld sollte abgeschafft werden?" Liebeswar stellt sie bei der nächsten Station in den Raum. Die Abschaffung von Bargeld ist ein sensibles Thema, und das spiegelt sich in dem Mikrokosmos dieser Klasse wider. Fast alle haben etwas zu sagen. "Das hilft gegen Falschgeld", heißt es da. "Ich will aber nicht, dass jeder meine Zahlungen kennt", wird dagegen gehalten.

Wissensfragen

Die Führung ist so aufgebaut, dass vor Beginn Wissensfragen beantwortet werden und danach noch einmal. In insgesamt fünf Stationen wird der Fokus auf unterschiedliche Aspekte der Finanzbildung gelegt.

Amelia (13) und Simon (12) besuchen die Mittelschule Sacré Coeur in Pressbaum.
Foto: Erste Bank / Marlena König

Abschließend lernen die Kinder, wie sich Konsumverhalten global auswirkt. Auf einem aus Monitoren nachgestellten Globus entwickelt sich die Geschichte eines Alltagsprodukts: einer Tafel Schokolade. Kurze Filmsequenzen schildern ökonomische Zusammenhänge, die die Gruppe durch Entscheidungen beeinflusst. Viele erstaunte Gesichter blickten wegen der Entstehung einer Tafel Schokolade auf die Monitore, und es werden nicht die letzten gewesen sein. (Andreas Danzer, 1.7.2021)