Die Croissants von Wien im Test: In der oberen Reihe die Werke von Ströck, Felzl, L'Amour du Pain (v. li.), in der unteren Reihe das, was Parémi, Hofer und Motto Brot (v. li.) geknetet haben. In der Mitte das Marischka-Croissant.

Tobias Müller

Der Herr P. hat mir sein Lieblingscroissant empfohlen, ich habe es als Themenverfehlung und Durchfallkandidaten bei der Konditorprüfung bezeichnet, was er wiederum als Croissant-Fatwa verunglimpft hat und nicht auf sich sitzen lassen wollte. Es folgte eine Diskussion, ob das Parémi-Croissant die Reise in den Ersten Wert ist, oder ob es das Felzl-Croissant nicht auch tut und wie gut das Ströck-Croissant ist, wenn es nicht von Pierre Reboul handgemacht wurde. Wir sind also eines sehr heißen Samstagmorgens zur Blindverkostung geschritten – zu viert, damit es hier nicht nur auf den Herrn P. und mich ankommt.

Jetzt kann man bekanntlich über Geschmack wunderbar streiten, ich finde aber, dass es durchaus objektiv bessere und schlechtere Croissants gibt. Ein Croissant muss luftig, leicht und trotzdem substanziell mit gutem Biss sein, innen saftig und außen knusprig, mit gutem Butteraroma und feinem Teiggeschmack. Einige seiner Qualitäten sieht man einem guten Croissant bereits an: Von der Seite betrachtet muss es aussehen wie Schiefergestein, bei dem man die einzelnen Schichten des Blätterteigs klar erkennen kann.

Von der Seite betrachtet sollte ein Croissant aussehen wie Schiefergestein.
Tobias Müller

Das Wiener Croissant-Angebot hat sich in den vergangenen Jahren erfreulich erweitert und ist ähnlich gewachsen wie jenes an guter Pizza. Mittlerweile ist es beinahe ein wenig unübersichtlich geworden. Wir haben nicht versucht, vollständig zu sein, sondern haben uns auf Croissants beschränkt, die uns am Herzen liegen. Als Eich-Croissant haben wir noch jenes aus der Hofer-Backbox dazugenommen.

Verkostet wurden:

  • Felzl
  • Parémi
  • L'Amour du Pain
  • Hofer
  • Ströck (Fußnote)
  • Marischka
  • Motto Brot

Wir haben von allen jeweils drei Stück gekauft, und zwar wenige Stunden vor der Verkostung, um möglichst gleiche Frische zu garantieren. Es war erfreulicherweise weniger ermüdend, sieben Croissants zu verkosten, als ich befürchtet habe. Und meine beiden Vorab-Favoriten haben dann auch im Blindtest doch recht deutlich gewonnen.

7. Platz, nicht bewertet: Marischka.
Tobias Müller

Hier kann man nicht wirklich von einem Blindtest sprechen: Zu deutlich ist das Marischka-Croissant von den anderen Croissants zu unterscheiden. Es ist ganz und gar nicht schlecht – üppig, intensiver Buttergeschmack, saftig – und hätte in einer Kipferl- oder auch Kuchenverkostung sicher gut abgeschnitten (es stammt ja schließlich auch von einer tollen Kuchen- und Tortenbäckerin). Als Croissant im klassischen Sinn geht es aber nicht durch.

6. Platz, 2–3 Punkte: Motto Bäckerei.
Foto: Tobias Müller

Der Überraschungsverlierer. Optisch sehr herzeigbar und schön gleichmäßig aufgegangen, aber ein wenig trocken, mit kuchiger Konsistenz und einer störenden Zuckerglasur außen. Kein guter Biss, kein guter Geschmack. Wurde von allen Testern sehr schnell wieder weggelegt und freiwillig nicht weitergegessen. Verdacht auf Vortagsware.

5. Platz, 3–4 Punkte: Hofer Französisches Buttercroissant.
Tobias Müller

Das Diskonter-Croissant hat eine deutlich dünklere Farbe und einen auffallend gelben Teig, was es ebenfalls recht klar erkennbar macht. Es ist außen knusprig und hat eine schöne Porung, sein Innenleben ist aber weniger samtig als bei den richtig guten Croissants. Der Geruch erinnert weniger an ein gutes Croissant als an jenen einer Bäckerei im Haus, und der Geschmack hat einen unsauberen Nebenton. Allgemeines Urteil: schon okay, aber nicht besonders toll. Stärkstes Argument, wenn einem so etwas wichtig ist: drei Stück kosten 1,50 Euro, weniger als ein einziges der nächstbilligsten Croissants. Wie sich das mit echter Butter ausgehen soll, ist mir ehrlich gestanden schleierhaft.

4. Platz, 4 Punkte: L'Amour du Pain.
Tobias Müller

Sehr knusprig, wenn auch auffallend splittrig (was nicht unbedingt schlecht ist), ein wenig trocken, relativ neutral im Geschmack, ein Hauch von Marille im Aroma, gewisse Eleganz, nicht zu fett, sodass es sich gut als Unterlage für mehr Butter oder Marmelade eignen täte – alles in allem ein feines, wenn auch unauffälliges Croissant.

3. Platz, 6 Punkte: Ströck.
Foto: Tobias Müller

Tolle Porung, feiner Hefegeruch, fantastisch-saftiger Croissant-Biss, nicht übermäßig, aber völlig ausreichend knusprig – das erste richtig gute Croissant (als großer Ströck-Fan zu meiner großen Erleichterung, auch wenn es nur das ganz stinknormale Croissant aus der gemeinen Filiale war, nicht einmal das Spezial-Croissant vom Feierabend, das dem von Pierre Reboul höchstselbst handgemachten angeblich viel näher kommt). Einziger Wermutstropfen: der Ei-Anstrich, der sich geschmacklich ein wenig vorgedrängt hat.

2. Platz, 8 Punkte: Felzl.
Tobias Müller

Wieder mal tolle Porung, merkbarer, aber appetitlicher Germgeruch, toller Biss, die einzelnen Schichten sind dabei fühlbar, knusprig, angenehm splittrig, zart süß, die Tester kosten auffallend viel davon, manch einer isst es gar auf. Zur Perfektion fehlt höchstens noch ein wenig mehr Geschmack.

1. Platz, 8,5–9 Punkte, Parémi.
Tobias Müller

Die Mutter des Wiener Croissant-Hypes wurde ihrem Ruf gerecht. Optische Perfektion (diese Schichten!), knusprig mit gleichmäßigem Splittern, herrlicher Butter- und Hefeduft, samtiges Nasengefühl (jenes Gefühl, das sich einstellt, wenn man die Nase ins Croissant steckt), komplexer, kräftiger, leicht nussiger Geschmack. Einziger Wermutstropfen: eine leichte Zähigkeit im Biss, die, denke ich, von einem etwas zu viel gekneteten Teig kommt.

Nachtrag: Zumindest eine lobende Erwähnung hat sich das Croissant von Punky's Whip verdient, einem recht neuen, australisch (!) inspirierten Café/Bäckerei/Sandwichladen im neunten Bezirk. Das Punky's Croissant ist wirklich köstlich, erfüllt alle Ansprüche, und wenn ich es so für sich allein genommen genieße, denke ich mir immer wieder, dass es mitunter gewonnen haben könnte. Leider ist es unter der Woche nie vor 10, am Wochenende nicht vor 11 Uhr fertig. Die Jury, die gerne Croissants frühstückt, hat das einstimmig als zu spät und als Ausschlussgrund gewertet. Es hat daher nicht am Test teilgenommen. (Tobias Müller, 4.7.2021)