Die ungarische Regierung unter Viktor Orbán kann vorläufig weiter ruhig schlafen. Ihr und manchen Profiteuren von üppigen EU-Geldern in ihrem Dunstkreis droht auch nach der Eskapade der Diskriminierung von Homosexuellen und Transpersonen über den Umweg eines Informationsverbotsgesetzes so bald keine ultimative Sanktionierung aus Brüssel. Das hat Kommissarin Věra Jourová klargestellt.

Die ungarische Regierung unter Viktor Orbán kann vorläufig weiter ruhig schlafen.
Foto: imago images/NurPhoto

Das wird politische Gegner des Nationalkonservativen enttäuschen: Es müsse doch möglich sein, Orbán endlich zu treffen, der EU-Partnern seit einem Jahrzehnt auf der Nase herumtanze, der notorisch Werte, Grundkonsens und die EU-Rechtsordnung verletze. Diese Stimmung hat die meisten Staats- und Regierungschefs erfasst. Orbáns dubioses Projekt eines mittelalterlichen "christlichen" Europas stößt zu Recht ab.

Eine echt harte Sanktion wäre etwa, wenn die Kommission die EU-Gelder stoppte. Eine im Zuge der Einrichtung des Wiederaufbaufonds geschaffene Regelung sieht das vor, aber nur, wenn entsprechend gewidmete Gelder missbräuchlich verwendet werden. Das ist beim Anti-LGBTQI-Gesetz nicht der Fall.

Die Kommission geht also den Weg des normalen Vertragsverletzungsverfahrens. Das muss sie. Denn eine Union, die den Rechtsstaat hochhält, muss die Regeln besonders penibel einhalten. Die EU ist nicht Orbán, der auf Werte und Regeln pfeift. Was jedoch fehlt, ist politischer Druck der Regierungen gegen Ungarn. Worte reichen nicht. (Thomas Mayer, 1.7.2021)