Für: Kein Testloch im Sommer

Dreimal pro Woche – immer montags, mittwochs und freitags – wurden im vergangenen Semester Kinder und Jugendliche in der Schule getestet. Schülerinnen und Schüler wurden so zur am besten auf Covid gescreenten Gruppe in der Bevölkerung. Mit Beginn der Sommerferien fallen diese Tests weg. Nur in Wien sollen die Sechs- bis Zwölfjährigen weiterhin regelmäßig Corona-Tests absolvieren – zumindest dann, wenn sie ins Schwimmbad, in den Zoo oder in ein Kaffeehaus gehen wollen. Um Eltern das Testen der Kinder zu erleichtern, wurde der Anspruch auf die "Alles gurgelt"-Testkits von wöchentlich vier auf acht erhöht. In den Wiener Horten und Kindergärten wird auch im Sommer getestet.

"Kinder haben zwar oft weniger Symptome, aber sie bringen das Virus in die Familie", begründete Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) den Schritt. Denn nach wie vor seien besonders junge Eltern oft nicht geimpft.

Unterstützung kam vom Gesundheitsminister. Da im urbanen Raum das Testangebot ein gutes sei, begrüße er die Wiener Initiative, twitterte Wolfgang Mückstein. Auch Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hieß den Vorstoß gut: Da in den Ferien nicht mehr an den Schulen getestet werde und der Ninja-Pass als Eintrittsnachweis auslaufe, drohe ein zweimonatiges "Testloch". Er verstehe, "dass sich Kinder testen müssen, wenn sie bestimmte Einrichtungen in Anspruch nehmen wollen, weil es nicht mehr automatisch an den Schulen passiert". Doch räumte Faßmann ein, über die verschiedenen Altersgrenzen für die Testpflicht in den Ländern nicht Bescheid zu wissen.

Überwachung von Varianten

"Wien nimmt aufgrund der Populationsdichte sicherlich eine Sonderposition ein. Dass man da besondere Schritte setzt, ist nachvollziehbar", sagt Florian Götzinger, Kinderinfektiologe an der Klinik Ottakring. In einer Großstadt könne sich die Delta-Variante rascher ausbreiten. "Screent man bei einer niedrigen Inzidenz Kinder mit Antigentests, wird man entsprechend auch eine hohe Zahl an falsch positiven Tests generieren", die man mit PCR-Tests überprüfen müsse, sagt er. Der Vorteil des PCR-Tests sei, per Sequenzierung auch den Virustyp überprüfen zu können. Damit könne man eine bessere Überwachung der Varianten gewährleisten.

Derzeit entfallen 42 Prozent der Infektionen auf die Delta-Variante. Von 233 aktiven Delta-Infizierten ist ein Viertel unter 18 Jahre alt.

Wider: Anstrengung für Familien

Dass die Drei-G-Regel in Wien über den Sommer auf Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren ausgeweitet wurde, kommt bei vielen nicht besonders gut an. Denn für die Kleinsten fällt eines der drei G – jenes, das für die Geimpften steht – generell weg. Gepikst wird erst ab zwölf, weshalb dieses Alter bundesweit in den Sommermonaten auch die Grenze für die Zutrittsregeln darstellt.

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) kommentierte die Vorgehensweise per Aussendung "mit Unverständnis und harscher Kritik". Der Wiener Weg gehe laut der Ministerin völlig an der epidemiologischen Realität vorbei. Es gebe schlicht keinen Grund dafür: "Dass Wien nun die Drei-G-Regel auf Kinder ab sechs Jahren ausweitet, macht die Planungen für viele Familien extrem schwierig und greift in eine bislang sehr gut funktionierende bundesweite Teststrategie ein", sagte sie.

Köstinger stört auch die Kurzfristigkeit der Maßnahmen: "Wie stellt man sich vor, dass sich Gastronomie und Tourismus in weniger als 24 Stunden auf diese neuen Regeln einstellen soll?" Diese Vorgehensweise sei "vollkommen unprofessionell und ein Schlag ins Gesicht tausender Unternehmerinnen und Unternehmer". Wien setze "quasi über Nacht Maßnahmen, die besonders auch unsere Jüngsten und ihre Familien treffen", kritisierte auch die türkise Stadträtin und Landesgeschäftsführerin der ÖVP, Bernadette Arnoldner.

Niedrige Inzidenzen

Ob Eintrittstests für Kinder ab sechs Jahren zum gegenwärtigen Zeitpunkt wirklich Sinn machen, ist für den Kinderinfektiologen Volker Strenger von der Medizinischen Universität Graz nicht einfach zu beantworten. "Natürlich ist das in Hinblick auf die Delta-Variante eine berechtigte Sicherheitsfrage", sagt Strenger. Bei den derzeit niedrigen Tagesinzidenzen würden Eintrittstests bei Kindern aber auch zu einer Vielzahl von falsch positiven Testergebnissen führen – das könne man derzeit sehr schön bei den Schultests beobachten. Vermeiden lasse sich das nur mit flächendeckenden Gurgeltests – das sei aus logistischen Gründen nicht so leicht umsetzbar.

Strenger rechnet mit einer Welle der Ungeimpften im Herbst – bei jenen, die sich nicht impfen lassen wollen, und jenen, die es aufgrund des Alters nicht können. Dann müsse man ohnehin wieder testen, um wieder einen regulären Schulbetrieb zu ermöglichen. (Oona Kroisleitner, Julia Palmai, Theo Anders, 1.7.2021)