In der WHO wird derzeit offenbar darüber diskutiert, dass Frauen, die im gebärfähigen Alter sind, keinen Alkohol trinken sollen. Im Entwurf des Alkohol-Aktionsplans 2022–2030 steht nämlich, dass eine "angemessene Aufmerksamkeit der Verhinderung des Beginns des Alkoholkonsums bei Kindern und Jugendlichen sowie der Verhinderung des Alkoholkonsums bei schwangeren Frauen und Frauen im gebärfähigen Alter gewidmet sein [sollte]." Ich nehme mal an, diese Idee der WHO wird nicht durchgehen, aber sie zeigt, wie manche Leute dort im Kopf ticken.

Der Fall ist aber interessant, weil man daran sehen kann, wie die patriarchale Geschlechterordnung funktioniert: Aus der ersten Tatsache, dass etwa die Hälfte der Menschen schwanger werden kann, aber die andere Hälfte nicht, und der zweiten Tatsache, dass eine Sache – in dem Fall Alkohol – Menschen, die schwanger sind, anders betrifft als nichtschwangere Menschen, wird eine Kategorie geschaffen: alle Menschen, die möglicherweise schwanger werden können, also Menschen mit Uterus in gebärfähigem Alter. Und für diese Kategorie werden dann pauschal gesonderte Regeln gemacht, unabhängig davon, ob es die einzelnen Menschen, die in die Kategorie fallen, überhaupt betrifft. Und zwar sogar dann, wenn es die ganz überwältigende Mehrheit der Menschen, die in die Kategorie fallen, gar nicht betrifft – denn zu jedem gegebenen Zeitpunkt sind ja nur eine kleine Minderheit der Menschen mit Uterus zwischen 15 und 55 Jahren schwanger. Die allermeisten dieser Menschen sind es nicht.

Mehr Aufmerksamkeit auf den Alkoholkonsum junger Frauen will die WHO in Zukunft legen.
Foto: AFP/FRANCOIS GUILLOT

Um dieses offensichtlich ungerechte, unsinnige, übergriffige Vorgehen zu legitimieren und das Ganze abzukürzen und zu vereinfachen, erfindet man für diese Menschen dann ein Label (Frauen) und hat damit eine pseudorationale Grundlage, um sie zu entrechten und zu diskriminieren.

Patriarchat fertig. (Antje Schrupp, 5.7.2021)