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Die US-Sängerin 2016 bei einer Award-Show. Sie machte jüngst das erste Mal öffentlich, sich aus der Vormundschaft befreien zu wollen.

Foto: REUTERS/Eduardo Munoz

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Spears' Fans setzen sich mit der Bewegung #FreeBritney für eine Ende der Vormundschaft ein.

Foto: AP/Chris Pizzello

Popstar Britney Spears ist vermutlich die weltweit bekannteste Betroffene einer gerichtlich angeordneten Vertretung. Jüngst sorgte dieser Umstand erneut für Schlagzeilen: Die 39-Jährige gab erstmals öffentlich bekannt, die seit 13 Jahren andauernde Vormundschaft durch ihren Vater beenden zu wollen. Ihre Fans wittern bereits seit Jahren Missbrauch der Vertretung, umso mehr empörten die Anschuldigungen, die Spears vor wenigen Tagen in einer Gerichtsanhörung öffentlich machte. So sei sie unter anderem zur Einnahme des Medikaments Lithium gezwungen worden, und ihr sei nicht erlaubt worden, sich die Spirale zur Empfängnisverhütung entfernen zu lassen. Martin Marlovits, der stellvertretende Fachbereichsleiter für Erwachsenenvertretung beim Verein Vertretungsnetz, erklärt, warum so ein Fall in Österreich nicht möglich wäre.

STANDARD: US-Sängerin Britney Spears steht seit einem psychischen Zusammenbruch vor 13 Jahren unter der Vormundschaft ihres Vaters, obwohl sie diese gerne beenden möchte. Wäre so etwas auch in Österreich möglich?

Marlovits: Das österreichischen Pendant zur Vormundschaft in den USA ist die Erwachsenenvertretung, bis 2018 die Sachwalterschaft. Durch ein Gericht wird dabei jemand als Vertreter einer Person bestimmt, die nicht voll entscheidungsfähig ist. Unser System ist aber schon alleine deshalb nicht mit dem US-Modell vergleichbar, weil die gerichtliche Erwachsenenvertretung bei uns auf drei Jahre befristet ist. Wenn sie verlängert werden soll, gibt es ein Überprüfungsverfahren, bei dem entschieden wird, ob es die Vertretung weiterhin braucht.

Britney Spears war bis 2019 als Sängerin aktiv. Sie hatte während der Vormundschaft unter anderem eine eigene Show in Las Vegas und veröffentlichte drei Alben. Seit zwei Jahren weigert sie sich zu arbeiten.
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STANDARD: Was ist die Voraussetzung für eine Erwachsenenvertretung in Österreich?

Marlovits: Die Grundlage für eine Vertretung ist immer die Frage, ob jemand selbst entscheidungsfähig ist. Es muss eine psychische Erkrankung oder intellektuelle Beeinträchtigung vorliegen, und es braucht einen konkreten und aktuellen Anlass, den die betroffene Person nicht ohne die Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann. Es gibt also nicht den automatischen Entzug der Geschäftsfähigkeit, wie das früher bei der Sachwalterschaft der Fall war. Sondern es wird individuell geprüft, ob die zu vertretende Person versteht, welche Konsequenzen eine Entscheidung hat, und ob sie ihren Willen danach bilden kann. Wenn das so ist, ist sie entscheidungsfähig und entscheidet selbst darüber – auch wenn sie eine Vertretung hat.

Martin Marlovits ist stellvertretender Leiter des Fachbereichs Erwachsenenvertretung beim Verein Vertretungsnetz.
Foto: Stefanie Luger

STANDARD: Wie sieht das bei der medizinischen Versorgung und anderen Persönlichkeitsrechten aus, etwa bei der Entscheidung zu heiraten?

Marlovits: Besonders was die medizinischen Entscheidungen im Fall von Britney Spears betrifft, wäre das in Österreich so nicht möglich. Man darf niemanden dazu zwingen, Medikamente einzunehmen oder sich einer Behandlung zu unterziehen. Die einzige Ausnahmemöglichkeit ist im Rahmen einer psychiatrischen Unterbringung, und da auch nur in akuten Fällen der Selbst- oder Fremdgefährdung. Es muss bei medizinischen Entscheidungen geprüft werden, ob der oder die Betroffene den Eingriff oder die Behandlung versteht. Wenn das der Fall ist und sie die Alternativen und Risiken abschätzen kann, dann kann sie auch selbst entscheiden. Wenn es stimmt, dass Spears nicht erlaubt wird, ihre Empfängnisverhütung zu beenden, ist das nicht verständlich. Das würde in Österreich nicht gehen. Der Umstand, dass sie offenbar weiterhin beruflich aktiv ist, in der Öffentlichkeit auftritt und täglich mit Entscheidungen konfrontiert ist, deutet sehr darauf hin, dass sie in vielen Bereichen offenbar entscheidungsfähig ist und vermutlich auch über die Entscheidungsfähigkeit verfügt, über ihren eigenen Körper zu bestimmen. Man kann niemandem verwehren, ein Kind zu bekommen, wenn dieser Person die Tragweite der Entscheidung bewusst ist.

Bei höchstpersönlichen Rechten wie Obsorge, Heirat und Partnerschaft gibt es in den allermeisten Fällen keine ersatzweise Zustimmung durch einen Vertreter. Auch bei der Ehe gilt: Wenn eine Person das Wesen und die Konsequenzen der Ehe versteht, kann sie nur selbst Ja sagen und braucht keine Zustimmung.

STANDARD: Wie werden Betroffene vor einem Missbrauch der Erwachsenenvertretung geschützt?

Marlovits: Das Gericht hat eine Kontroll- und Überwachungsfunktion über die Vertretung. Auch das Umfeld der Person kann sich bei einem Verdacht auf Missbrauch an ein Gericht wenden. In einer Vertretung ist es zentral, dass die Wünsche und Vorstellungen der zu vertretenden Person umzusetzen sind. Es ist auch Aufgabe des Vertreters, dass der oder die Betroffene möglichst bald wieder selbstständig wird. Zudem gilt, dass als Vertretung jemand bestellt werden soll, den sich die zu vertretende Person wünscht. Denn es soll ja ein Vertrauensverhältnis bestehen. Wenn das nicht vorhanden ist, wäre es besser, jemand anderen als Vertretung zu bestellen. Wenn es mit der Familie nicht funktioniert, sollte das Gericht eine fremde Person bestellen, die das professionell übernimmt. Oder im Falle von Spears prüfen, ob man die Vertretung nicht generell einstellt.

STANDARD: In welchen Fällen kommt eine Erwachsenenvertretung in Österreich zum Einsatz?

Marlovits: Die Zahlen der gerichtlichen Vertretung sind zuletzt gesunken, aktuell gibt es etwa 42.000 Fälle. Die Erwachsenenvertretung wird bei der Vermögensverwaltung bestellt, in medizinischen Fällen und bei besonders heiklen Entscheidungen. Gerade die Persönlichkeitsrechte sind aber für die betroffenen Menschen oft viel wichtiger als beispielsweise die Verwaltung des Sparbuchs. Deswegen wird bei Persönlichkeitsrechten ganz besonders darauf geachtet, ob eine Person entscheidungsfähig ist oder nicht. (Davina Brunnbauer, 2.7.2021)