Von der eigenen Partei unfair behandelt – so wird Rendi-Wagner in der aktuellen Umfrage gesehen.

Foto: APA/MICHAEL GRUBER

Linz – Man muss kein Sozialdemokrat sein, um zur Einschätzung zu kommen, dass die Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner parteiintern unfair behandelt wird. Dem stimmen 20 Prozent aller Wahlberechtigten völlig und weitere 25 Prozent überwiegend zu. Noch deutlicher ist das Mitgefühl für die auf dem Parteitag nur mit Dreiviertelmehrheit bestätigte Parteichefin bei den erklärten SPÖ-Wählern, da stimmen 37 Prozent völlig und 33 überwiegend der Aussage zu, dass die Spitzenfrau von den eigenen Genossen unfair behandelt werde. Besonders stark ist dieser Eindruck auch bei Befragten über 60, aber auch unter Grün-affinen Wahlberechtigten ausgeprägt.

Der unglückliche Verlauf des Parteitags bildet sich noch nicht so deutlich in der Sonntagsfrage ab, wohl aber in den Imagewerten der Partei, was in Anbetracht des noch in weiter Ferne liegenden Wahltermins von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Auseinanderdriften in der Kanzlerfrage

"In der Sonntagsfrage sieht man nur, dass der im Mai ziemlich zusammengeschrumpfte Abstand zur ÖVP wieder größer geworden ist", sagt Market-Hochrechner David Pfarrhofer zu den Ergebnissen der jüngsten Umfragewelle. In Zahlen: Die ÖVP käme nun auf 31 Prozent, die SPÖ auf 26, die FPÖ auf 17, die Grünen auf 13 und die Neos auf elf Prozent.

Deutlicher wird das Auseinanderdriften von ÖVP und SPÖ, wenn man die jeweiligen Spitzenpolitiker in der Kanzlerfrage vergleicht: Im Verlauf von nur drei Wochen seit der letzten Market-Umfrage für den STANDARD ist Rendi-Wagner um zwei Prozentpunkte auf 17 Prozent zurückgerutscht, während Amtsinhaber Sebastian Kurz seinen Tiefpunkt überwunden haben dürfte – er legte drei Prozentpunkte auf 29 Prozent zu, was allerdings sehr weit von seinem persönlichen Bestwert (52 Prozent während des ersten Lockdowns 2020) entfernt ist.

Die Frage ist: Kann Pamela Rendi-Wagner neben Sebastian Kurz bestehen? Market legte den 800 befragten Wahlberechtigten das entsprechende Statement zur Beurteilung vor. Dem stimmten 17 Prozent völlig und weitere 15 Prozent überwiegend zu – 23 Prozent aber weniger und 34 Prozent absolut nicht. Allerdings ist die SPÖ-Anhängerschaft zu zwei Dritteln überwiegend oder ganz der Meinung, Rendi-Wagner könne neben Kurz bestehen.

Beschädigte Parteichefin

Die Aussage, Rendi-Wagner habe "das Zeug, Wahlen zu gewinnen", unterstützt selbst unter erklärten Anhängern der SPÖ nur eine knappe Mehrheit – österreichweit stimmen dem nur neun Prozent ganz und 16 Prozent teilweise zu. 36 Prozent trauen ihr das aber "sicher nicht" zu.

Pfarrhofer fasst das so zusammen: "Rendi-Wagner bekommt hohe Anerkennung dafür, dass sie als Frau eine große Partei führt und dass sie in der Corona-Krise gute Arbeit geleistet hat. Wenn es ums Inhaltliche geht, wird das Bild schon schwammiger, da sagen keine 40 Prozent, dass sie die Anliegen der Bevölkerung verstünde oder dass sie gute Ideen hätte. Und nur 14 Prozent haben auch nur annähernd den Eindruck, dass die Partei geschlossen hinter ihr stünde."

Keine einheitliche Linie

Diesen Eindruck wiederum hat die Partei mit ihrem Parteitagsmanagement (und der Berichterstattung darüber) verstärkt. Nur 15 Prozent sagen, die SPÖ habe in zentralen Fragen eine einheitliche Meinung. Nur 14 Prozent sehen die besten Leute an der Parteispitze.

Und dass eine Regierungsbeteiligung der SPÖ dazu führen würde, dass es mit Österreich bergauf ginge, meinen nur 26 Prozent – und diese rekrutieren sich vor allem aus den erklärten SPÖ-Wählern, während die Anhänger anderer Parteien sich mehrheitlich ablehnend zu einer Regierungsbeteiligung der SPÖ äußern. Auch die ÖVP-Wähler zeigen bei mehreren der Fragen mit ganz deutlicher Mehrheit eine Ablehnung für eine mögliche "große" Koalition. Von den SPÖ-Wählern wollen aber mehr als 80 Prozent ihre Partei wieder in der Bundesregierung.

Dabei hat die SPÖ einige herausragende Stärken, die auch von der Bevölkerung hohe Wertschätzung erfahren: In der aktuellen Umfragewelle werden (wie schon in Vergleichsumfragen in früheren Jahren) die historischen Verdienste der Sozialdemokratie außer Streit gestellt – selbst in der sonst antisozialistisch gestimmten FPÖ-Gefolgschaft gibt es dafür mehrheitlich Anerkennung. Und ganz wegdenken mögen sich die SPÖ auch nur 23 Prozent – ohne sie wäre das Parteienspektrum unvollständig, meinen 62 Prozent.

Die Stärken der SPÖ

42 Prozent erkennen auch an, dass die SPÖ für eine gerechtere Gesellschaft stehe, eine Positionierung, die sie sich allerdings (mit ganz ähnlichen Werten in einer Umfrage Anfang Juni) mit den Grünen teilen muss.

Die größte Zustimmung erhält die Aussage, dass sich die SPÖ auf die Anliegen der Arbeiter und Angestellten konzentrieren sollte: Diese Meinung teilen 68 Prozent – und zwar mit geringen Unterschieden in den Wählerschaften der einzelnen Parteien. Pfarrhofer: "Die SPÖ konnte das Image der Arbeitnehmerpartei über Jahrzehnte kultivieren. Im Widerspruch dazu steht aber, dass die Hälfte der Befragten wenig bis gar nicht wahrnimmt, dass die Parteivorsitzende genau diese Arbeitnehmerinteressen vertreten würde." (Conrad Seidl, 5.7.2021)