"Beigeschmack von Öbag": Heinz Lederer (SPÖ) über türkise Vorbesprechungen zur Generalswahl.

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Wien – Heinz Lederer, von der SPÖ in den ORF-Stiftungsrat entsandt, appelliert im Gespräch mit dem STANDARD an die türkise Mehrheitsfraktion im Stiftungsrat, ihren Kandidaten oder ihre Kandidatin für die Generalswahl am 10. August zu benennen und zur Diskussion zu stellen, "statt zu mauscheln und zu tuscheln".

"Gängelung des Stiftungsrats"

Donnerstag beriet der "Freundeskreis" der bürgerlichen Stiftungsräte wie berichtet in Wien, dabei waren nach STANDARD-Infos auch der Kanzlerbeauftragte für Medien Gerald Fleischmann sowie der mögliche bürgerliche Generalskandidat Roland Weißmann.

Die Teilnahme Fleischmanns interpretiert Lederer als Versuch der "Gängelung des Stiftungsrats" durch die Kanzlerpartei. Lederer räumt ein, dass auch SPÖ-Manager und Mediensprecher in der Vergangenheit vielfach an Sitzungen des sozialdemokratischen Freundeskreises im ORF-Stiftungsrat teilgenommen haben. Seit er 2017 Fraktionssprecher sei, könne er dies aber für Sitzungen dieses Freundeskreises ausschließen.

"Zwischen Öbag und Orbán"

Lederer verortet solche "Mauscheleien" über die Besetzung des größten österreichischen und öffentlichen Medienunternehmens "zwischen Öbag und Orbán". Er wünscht sich "Transparenz und Offenheit" darüber, "was sich die größte Fraktion im ORF überlegt für die Zukunft des ORF". Das war nach Angaben des bürgerlichen Freundeskreissprechers Thomas Zach Thema der dreistündigen Freundeskreissitzung am Donnerstag.

Es sei natürlich legitim, dass sich Freundeskreise im Stiftungsrat "austauschen über Inhalte und Personen", sagt Lederer; es sei aber auch ein "legitimes Anliegen" der anderen Mitglieder im Stiftungsrat, über die Position der Mehrheitsfraktion in dieser zentralen Frage informiert zu werden.

Der SPÖ-Stiftungsrat deutet Überlegungen für gemeinsame Aktionen mit Stiftungsräten aus anderen Lagern an. Er appelliert, "rasch Klarheit und Transparenz zu schaffen". Wenn die ÖVP eine neue Ausrichtung des ORF wolle und Kandidaten habe, denen sie das zutraue, dann sollten sie oder die Kandidaten sich deklarieren – und damit nicht erst bis zum Ende der Bewerbungsfrist am 28. Juli oder der Nachnominierungsfrist am 3. August warten. Das vermittle "den Beigeschmack von Öbag". Die Chats von Thomas Schmid zu seiner Bestellung zum Öbag-Vorstand mithilfe eines gezielt ausgesuchten Aufsichtsrats beschäftigen gerade noch den Ibiza-Untersuchungsausschuss des Nationalrats.

Aktionen der Stiftungsräte

Am Rande der Stiftungsratssitzung im Juni sprach Lederer im STANDARD von Überlegungen für eine Sondersitzung, da ging es um ein Hearing von Generalskandidaten auf ORF 3. Über diese Möglichkeit – zwölf Stiftungsräte von 35 können eine solche Sitzung beantragen – wollte sich Lederer am Freitag nicht äußern. Sollte eine solche Sondersitzung vor der Generalswahl am 10. August geplant sein, muss sie laut Geschäftsordnung kommende Woche beantragt werden.

Nach STANDARD-Infos haben auch die Vertreter der Bundesländer vor der jüngsten regulären Sitzung des obersten ORF-Gremiums einen Antrag auf Sondersitzung vorbereitet. Sie protestierten gegen eine Sitzung via Zoom und verlangten eine persönliche Sitzung des Stiftungsrats.

Bisher hat alleine der amtierende ORF-General Alexander Wrabetz seine Bewerbung öffentlich angekündigt. Er wurde 2006 bei seiner Bestellung von Stiftungsräten einiger Couleurs am letztmöglichen Tag nachnominiert als Gegenkandidat zur amtierenden ORF-Generalin und damaligen ÖVP-Kandidatin Monika Lindner.

"ORF unter den Nagel reißen"

Jörg Leichtfried, Mediensprecher der SPÖ, stimmt ein: "Die Sorge, dass Kurz sich mit seiner türkisen Mehrheit im Stiftungsrat den ORF unter den Nagel reißen und einen ORF-Direktor nach seinen Wünschen dort installieren will, wird größer." Es gehe um die Unabhängigkeit des größten Medienunternehmens. Sie dürfe "nicht türkiser Message Control geopfert werden".

Auch Leichtfried fordert allfällige weitere Bewerberinnen oder Bewerber auf, sich zu deklarieren: "Dann kann man über Personen, Erfahrungen und Konzepte diskutieren. Wir brauchen einen innovativen Medienmanager an der Spitze des ORF, der den ORF in eine erfolgreiche Zukunft führt, keinen verlängerten Arm des türkisen Kanzleramts." (fid, 2.7.2021)