Im hohen Gras, in verwachsenen Gärten und im Wald lauern besonders viele Zecken.

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Im Sommer flüchtet man vor der Hitze gerne in grüne Gefilde, saftige Wiesen, verwachsene Gärten oder kühle, schattige Wälder. Kehrt man dann nach Hause zurück, stellt man nicht selten fest, dass man einen ungebetenen Besucher mit nach Hause gebracht hat: eine Zecke.

Raus damit und nicht weiter darüber nachdenken, meinen viele, vor allem wenn man geimpft ist. Doch so einfach ist es leider nicht. Denn etwa jede dritte Zecke trägt den Borreliose-Erreger in sich – und überträgt diesen auf den Menschen.

Dabei handelt es sich um Bakterien der Art Borrelia burgdorferi, die die sogenannte Lyme-Borreliose oder Lyme-Disease auslösen, in Europa die häufigste von Zecken übertragene Infektionskrankheit. Die Symptome und der Krankheitsverlauf sind dabei von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Die Infektion kann chronisch werden und sich auf verschiedene Organe erstrecken, vor allem Haut, Gelenke und Nervensystem sind häufig betroffen.

Typische Wanderröte

Der bakterielle Erreger lebt im Darm der Zecke. Sticht sie einen Menschen und saugt Blut, wandert der Erreger in ihre Speicheldrüsen und von dort in den Menschen. Erstes typisches Anzeichen für eine Infektion ist die sogenannte Wanderröte, das Erythema migrans. Diese Rötung taucht üblicherweise sieben bis zehn Tage nach dem Stich rund um die betroffene Stelle auf und breitet sich kreisförmig aus. Im Verlauf wird sie oft in der Mitte blasser und zu einer Art Ring.

Es gibt außerdem viele unspezifische Borreliose-Anzeichen, allgemeine Beschwerden wie sie auch bei vielen anderen Krankheiten auftreten, Abgeschlagenheit etwa, leichtes Fieber, Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen, Schweißausbrüche, Magen-Darm-Beschwerden oder geschwollene Lymphknoten. Bleibt so ein Stich unentdeckt oder bleiben die Symptome unbehandelt, kann sich die Infektion im Bereich der Nerven oder auch in den Gelenken festsetzen.

"Rheumatoide Probleme oder auch Nervenschmerzen durch Entzündungen an den Nervenwurzeln können die Folge sein. Charakteristisch dafür sind quälende Nervenschmerzen, die als brennend, bohrend oder auch beißend beschrieben werden", weiß Hannes Stockinger, Professor für Molekulare Immunologie an der Med-Uni Wien.

Neuer Erreger

All das kann man frühzeitig abwenden, wenn man die Wanderröte erkennt und sofort zum Arzt geht. Doch Stockinger warnt: "Es gibt mittlerweile auch andere Borrelien bei uns, die wahrscheinlich aus dem zentralasiatischen Raum eingewandert sind."

Bei dieser Art tritt dann keine Rötung auf. Vier bis fünf Wochen nach dem Stich bekommt man aber Fieber und Kopfschmerzen, man ist müde und fühlt sich wie bei einem grippalen Infekt. "Das Immunsystem bekämpft das, man fühlt sich wieder fit. Aber die Bakterien sind noch da, und ein paar Wochen später kommt der nächste Fieberschub. Man spricht dabei von einem sogenannten Rückfallfieber", sagt Stockinger.

Das Immunsystem entwickelt zwar Antikörper, aber die Bakterien verändern sich und präsentieren neue Moleküle, die die Körperabwehr noch nicht kennt, sie reagiert mit einem weiteren Fieberschub. "Dieses Krankheitsbild kann mild sein und sich ausschleifen. Es kann sich aber auch verschlechtern und bis zu einem Krankenhausaufenthalt führen. Deshalb ist es so wichtig, sich nach einem Zeckenstich aufmerksam zu beobachten", betont Stockinger.

Zecken sicher entfernen

Es gilt also, nach jedem längeren Aufenthalt in Wald oder Wiese den Körper systematisch nach Zecken abzusuchen. Frisch nach dem Stich sind sie oft so klein, dass man sie leicht übersehen kann. Die Zecke sitzt übrigens nicht zwingenderweise dort, wo man mit Gräsern oder Bäumen in Berührung gekommen ist. Sie wandert oft auf der Hautoberfläche und setzt sich an anderer Stelle fest. Besonders beliebt: Bauch- und Brustbereich, Kniekehlen, Hals und Kopf, hinter den Ohren sowie im Schritt oder im Bauchnabel.

Was also tun, wenn man eine Zecke entdeckt? Idealerweise greift man sie hautnah mit einer Pinzette, am besten mit einer speziellen Zeckenpinzette aus der Apotheke, und zieht sie langsam und kontrolliert heraus, ohne zu drehen oder zu wackeln. Anschließend wird die Stelle desinfiziert. Auf das Beträufeln mit Öl, Klebstoff oder Benzin sollte man dabei unbedingt verzichten. Das führt nur dazu, dass sich die Zecke in die Stichstelle hinein erbricht und sich die Gefahr einer Krankheitsübertragung erhöht.

Die zeitliche Komponente ist dabei absolut relevant. Je länger eine Zecke am Körper ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Erreger auf den Menschen übergehen. Üblicherweise dauert es zwölf bis 24 Stunden, bis die Bakterien übertragen sind, es kann aber auch schneller gehen. In den Tagen nach einem Stich gilt es dann, die Stelle regelmäßig auf Anzeichen einer Wanderröte zu überprüfen.

Die richtige Behandlung

Sollte sich trotz schnellen Handelns eine Wanderröte entwickeln oder wenige Wochen nach dem Stich Fieberschübe auftreten, ist ein Arztbesuch unbedingt nötig. Die Diagnose geschieht über einen Sichtbefund. Stockinger erklärt: "Es ist leider sehr schwer, eine akute Infektion tatsächlich nachzuweisen. Dazu müsste man Gewebe aus jenem Bereich oder Organ haben, wo sich der Erreger festgesetzt hat. Man weiß aber nicht, wo das ist. In Blut oder Harn findet man die Erreger kaum."

Man könnte zwar prüfen, ob Antikörper vorhanden sind, aber auch das ist ein unbefriedigender Befund, weiß Stockinger: "Viele von uns sind irgendwann mit Borrelien in Kontakt gekommen, sind Antikörper vorhanden, können diese also auch alt sein. Direkt nach dem Stich bilden sich zwar frische, und die kann man auch nachweisen. Aber dafür hat man nur ein enges Zeitfenster, maximal zwei Wochen." Und da ist einem oft noch nicht bewusst, dass man eine akute Borrelien-Infektion haben könnte. Danach verändern sich die Antikörper, und man kann nicht mehr erkennen, wie frisch die Infektion ist.

Ist dagegen eine Wanderröte vorhanden, ist das ein eindeutiges Zeichen für eine Diagnose. Die Kur dagegen ist eine dreiwöchige Antibiotika-Einnahme, sichere Alternativen dazu gibt es nicht. Doch die Medikamente sind prinzipiell gut verträglich. Einzige gefährliche Nebenwirkung: Die Antibiotika machen die Haut sehr lichtempfindlich. Bei zu viel Sonne können sich juckende Ausschläge und Schwellungen bilden. Die klingen jedoch nach dem Absetzen rasch wieder ab. Am besten ist es jedoch, während der Medikamenteneinnahme direkte Sonne zu meiden und immer auf besonders hohen Lichtschutzfaktor zu setzen.

Zeckenvermehrung durch Klimawandel

Dass die von Zecken ausgehende Gefahr in den vergangenen Jahren gestiegen ist, ist übrigens nicht nur gefühlt so, sondern auch nachweisbar. Schuld daran ist die Klimaerwärmung.

"Die Wälder haben dadurch mehr Trocken- und Hitzestress. Das führt dazu, dass Kastanien, Eichen oder Buchen besonders viele Früchte tragen, es kommt vermehrt zu sogenannten Mastjahren", erklärt Franz Rubel von der Vet-Med-Uni Wien. Kleine Nagetiere wie Mäuse finden dann besonders viel Futter und vermehren sich stärker. Das wiederum lässt die Zeckenpopulation wachsen. "Früher kam es, je nach Baum, alle drei bis sechs Jahre zu einem Mastjahr. Jetzt findet das zum Teil jedes zweite Jahr statt." Und zwei Jahre später, bedingt durch ihren Wachstumszyklus, explodiert auch die Anzahl der Zecken.

Dazu kommt ein verändertes Freizeitverhalten, wie Rubel erklärt: "Vergangenes Jahr sind durch Corona und die Lockdowns wesentlich mehr Menschen in die Natur gegangen, teilweise viermal so viele wie in den Jahren davor. Gleichzeitig verändert sich der Wald. Durch den Klimawandel breitet sich der Mischwald weiter aus, er kann in höhere Lagen vordringen. Und genau dort gedeihen auch die Zecken am besten." Die Kombination aus all diesen Faktoren führt dazu, dass es aktuell tatsächlich besonders viele Zecken gibt.

FSME-Gefahr weiterhin vorhanden

Und noch eine Infektion durch Zeckenstiche darf man nicht unterschätzen – FSME. Ausgelöst wird sie durch ein von der Zecke übertragenes Virus, eine Erkrankung kann bis zu einer Hirnhautentzündung mit lebenslangen Folgeschäden oder sogar zum Tod führen. Rubel dazu: "Dagegen gibt es eine Impfung, die wirklich gut wirkt. Nach ersten Höhepunkten in den 1970er-Jahren mit 677 Fällen im Jahr 1979, gab es 1999 nur noch 41 Fälle. Doch jetzt steigen die wieder. Im Jahr 2020 hatten wir 219 Fälle in Österreich, mit einer deutlich höheren Dunkelziffer."

Natürlich verläuft nicht jede FSME-Infektion tödlich, man kann auch nur eine leichte Sommergrippe haben. Doch die Kombination aus Bevölkerungswachstum und vermehrter Impfskepsis lässt die Fälle eben wieder deutlich ansteigen. Vor einigen Jahren waren noch 82 Prozent aller Menschen in Österreich geimpft, jetzt sind die Zahlen rückläufig. Dabei hat man mit der Impfung den klaren Vorteil, dieser Viruserkrankung zu entgehen – etwas, das bei der Borrelien-Infektion leider noch nicht der Fall ist. (Pia Kruckenhauser, 5.7.2021)