Das Gebiet der geplanten Trassenführung für die Schnellstraße.

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Das Projekt Lobautunnel sorgt wieder einmal für hitzige Debatten. Am Donnerstag wurde bekannt, dass die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) Tunnel und Außenringautobahn bis zum Herbst einem Klimacheck unterziehen will. Erst dann soll darüber entschieden werden, ob das besonders umstrittene Bauprojekt in der Bundeshauptstadt umgesetzt wird. Wiens Stadtregierung ist erzürnt, Umweltschützer demonstrierten gegen den Bau.

Frage: Was wir jetzt genau geprüft?

Antwort: Der umstrittene Bau des Lobautunnels und der dazugehörenden Stadtstraße soll noch einmal auf Herz und Nieren geprüft werden. Das Ministerium evaluiert bis zum Herbst, ob der Bau aus verkehrsplanerischer Sicht und im Sinne des Bodenverbrauchs nach wie vor sinnvoll ist. Darüber hinaus wird geprüft, ob das Projekt mit dem Ziel der Regierung, 2040 klimaneutral zu sein, kompatibel ist.

Frage: Werden noch andere Projekte geprüft?

Antwort: Ja. Nicht nur der Lobautunnel, sondern sämtliche in Planung befindliche Neubauten der Asfinag werden in ganz Österreich dem "Klimacheck" unterzogen. Sanierungen seien davon nicht betroffen, sondern lediglich Neubauprojekte bzw. Kapazitätserweiterungen, heißt es aus dem zuständigen Ministerium.

Frage: Was passiert, wenn der Klimacheck negativ ausfällt?

Antwort: Dazu wollte das Ministerium der Evaluierung nicht vorgreifen. Ob der Lobautunnel nach einem negativen Ergebnis auf dem Bauprogramm der Asfinag bleibt, ist also noch offen. Ein Baustopp wäre dann jedoch wahrscheinlich.

Frage: Was sagt Wien dazu?

Antwort: Die Wiener SPÖ steht voll und ganz hinter dem Projekt. Stadtstraße und Nordostumfahrung seien "die wichtigsten infrastrukturellen Maßnahmen" in der Ostregion, sagte Bürgermeister Michael Ludwig am Freitag. Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke sprach von "erheblichen Nachteilen in Milliardenhöhe", würde das Projekt nicht umgesetzt.

Aus dem Büro von Verkehrsstadträtin Ulli Sima heißt es, vor allem Anwohnerinnen und Anwohner würden "massiv darunter leiden", würde das Projekt nicht umgesetzt. Der Stopp hätte Auswirkungen auf die Stadtstraße und die Stadtentwicklungsgebiete – es gehe nämlich vor allem um deren Anbindung. 60.000 geplante Wohnungen könnten sonst nicht realisiert werden. Wenn die Stadtstraße hingegen gebaut werde, versichert man im Rathaus, würden kleinere Straßen entlastet, der Verkehr müsse dann "raus aus den Wohngebieten". Sima stellte auch den Rückbau der Tangente in Aussicht.

Frage: Was könnte die neue Lobauautobahn für die Tangente bedeuten?

Antwort: Sima erklärte am Freitag dazu: Wenn es eine Nordostumfahrung in Wien gibt, ist für sie klar, dass die Tangente für den Transit gesperrt werden muss. Sima stellte im Gespräch mit W24 den Rückbau der Tangente in Aussicht. "Vielleicht machen wir dann da eine Busspur", sagte sie. Was sie jedenfalls nicht wolle, ist, "dass wir dann zwei überlastete Straßen haben". Eine Umfahrung mache nur dann Sinn, wenn alle, die nicht nach Wien hineinwollen, die Stadt auch umfahren.

Frage: Wer ist in Wien dagegen?

Antwort: Der Bau des Lobautunnels stößt in der Hauptstadt vor allem bei den Grünen auf Gegenwind. Das Projekt war des Öfteren Streitpunkt in der ehemaligen rot-grünen Koalition. Die Evaluierung der Asfinag-Projekte wird vom nichtamtsführenden Stadtrat Peter Kraus als "vernünftiger und richtiger Schritt für den Klimaschutz in unserem Land" bewertet. Es sei "inakzeptabel", dass Rot-Pink beim Klimaschutz blockiere. Kritik an der Evaluierung kam auch von der Wiener ÖVP und vonseiten der Freiheitlichen.

Frage: Wie kommentieren Verkehrsplaner das Projekt?

Antwort: Die Planungsphilosophie hinter dem Projekt entspreche nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft, sagt Barbara Laa, Verkehrswissenschafterin von der TU Wien. Bei der Projektplanung wurde ein Anstieg des Verkehrsaufkommens prognostiziert; im Bau neuer Straßen sah man die Lösung für die Entlastung, sagt Laa. "Aber wir wissen mittlerweile, dass es das Phänomen des induzierten Verkehrs gibt." Was das heißt? "Wenn wir mehr Straßen bauen, dann generieren wir damit auch mehr Autoverkehr." Die Expertin plädiert für eine zielorientierte Planung im Einklang mit den Klimazielen – also mehr Raum für Öffis, Rad- und Fußverkehr sowie eine effiziente Parkraumbewirtschaftung.

Frage: Was sagen Umwelt-NGOs?

Antwort: "Der Bau des Lobautunnels gefährdet den Nationalpark Donauauen und quert ihn ausgerechnet an dessen breitester Stelle", kritisiert Global 2000. Die NGO nahm am Freitag an einer Demo von Fridays for Future gegen den Tunnel teil. Greenpeace ortet in dem Projekt ein "stadtplanerisches Fossil der 1970er-Jahre", das klimaschädlichen Emissionen in Wien um 100.000 Tonnen jährlich erhöhen würde. Der WWF wies auf den Verlust von rund 160 Hektar intakten Grünraums hin. Der VCÖ warnte vor den Klimafolgen durch die Bodenversiegelung.

Frage: Was kostet das Projekt?

Antwort: Für das Gesamtprojekt der S1-Außenringschnellstraße zwischen Schwechat und Süßenbrunn – mit dem Lobautunnel – rechnet die Asfinag mit 1,9 Milliarden Euro Gesamtkosten. In anderen Schätzungen ist die Rede von bis zu 4,5 Milliarden Euro. (Nora Laufer, Oona Kroisleitner, 2.7.2021)